Tunesien und die arabische Welt: "Heute Ben Ali, morgen Mubarak"

Die Machthaber in der Region bezeichnen den Umbruch in Tunesien meist als "innere Angelegenheit" des Landes – nur Gaddafi ist "schmerzhaft berührt".

Ägyptische und tunesische Fahne, fotografiert bei einer Demonstration in Kairo am 15.1.2011. Bild: ap

BAGDAD taz | Die meisten Herrscher in der arabischen Welt hüllen sich über den Umbruch in Tunesien in Schweigen. Verständlich, müssen sie doch ein Überspringen der Revolution fürchten. Nur einer konnte sich ein Wort nicht verkneifen - der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi. Er sei "schmerzhaft berührt" von dem, was in Tunesien geschehe, sagte er. Tunesien werde Opfer von Gangs und Dieben, dabei habe niemand das Land besser regiert als der geflüchtete Präsident Ben Ali, sagte Gaddafi, der selbst seit mehr als 40 Jahren an der Macht ist.

Im Rest der arabischen Welt beschränkten sich die Herrscher auf dürre Worte, in denen sie die Revolte als innere Angelegenheit Tunesiens bezeichneten, oder sie erklären, man respektiere den Willen und Wunsch der Tunesier. Selbst im Irak, neben dem Libanon das einzige Land, das freie Wahlen kennt, wollten sich Regierungsvertreter nicht äußern.

Bei den Unzufriedenen ist der Jubel groß. In Kommentaren und Foren sehen sie eine neue Ära anbrechen. "Die Jasmin-Revolution in Tunesien beweist wie zuvor der Sturz von Saddam, dass das Ende der Tyrannen unvermeidlich ist", schreibt die irakische Zeitung al-Mada. Doch anders als die Iraker haben die Tunesier ihren Despoten selbst verjagt, erinnert al-Mada. "Dass das Volk erstmals in der arabischen Welt einen Diktator gestürzt hat, wird andere inspirieren."

"Heute Ben Ali, morgen Husni Mubarak", schreibt ein ägyptischer Twitterer über den Präsidenten Ägyptens. Der ägyptische Blogger Hossam el-Hamalawy hofft: "Revolutionen sind wie Dominosteine." Mehrfach zogen Kommentatoren Vergleiche mit anderen Revolutionen, besonders in Osteuropa. Wie die Berliner Mauer würden auch die Regime in der arabischen Welt hinweggefegt werden. In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa riefen am Sonntag rund tausend Studenten zum Sturz der Regierung auf. "Freies Tunis, Sanaa grüßt dich tausendmal!", rief die Menge, die zur tunesischen Botschaft gezogen war.

Bereits im Januar hatte es in Algerien wegen eines starken Anstiegs der Preise für Grundnahrungsmittel tödliche Unruhen gegeben. Und in Jordanien gingen am Freitag tausende Menschen in mehreren Städten auf die Straße, um gegen die hohe Arbeitslosenquote, die Inflation und auch gegen die Führung zu demonstrieren.

Vom Maghreb bis zu Euphrat und Tigris leiden die meisten Länder an den gleichen Defiziten: Chancenlosigkeit der Jugend, Korruption, Missachtung der Menschenrechte und das Fehlen von Freiheitsrechten. Die Golfstaaten sind bislang dank des Öls reich genug, um diese Defizite wirtschaftlich auszugleichen. Alle anderen Länder, besonders unser eigenes, sollten die Botschaft aus Tunis hören, sagte der irakische Abgeordnete Wail Abdul Latif.

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