Jantosch will Live-Übertragung

VIDEOÜBERWACHUNG Polizeipräsident möchte auch S-Bahn-Kameras nutzen. Bisher fehlt Rechtsgrundlage dafür. Idee stößt bei Schwarz-Grün auf Überraschung

Nach dem geltenden Recht darf in Hamburg nur die Polizei den öffentlichen Raum überwachen. Sie tut das an von ihr erkannten Kriminalitätsschwerpunkten.

■ Am Hansaplatz in St. Georg sind die Überwachungskameras kürzlich nach zweieinhalb Jahren abgebaut worden. Die Zahl der Straftaten ist in dieser Zeit nicht wesentlich zurück gegangen.

■ Bei der Reeperbahn müssen die entsprechenden Zahlen erst noch ausgewertet werden. Sie sollen Aufschluss darüber geben, ob Kameras geeignet sind, Straftäter abzuschrecken.

Polizei-Präsident Werner Jantosch möchte die Videoüberwachung besser nutzen. Neben den Live-Bildern, die Polizeikameras heute von gefährlichen Orten senden, würde er gerne auch live auf die Bilder aus S-Bahnhöfen und Tankstellen zugreifen, sagte er dem Radiosender NDR 90,3. Eine bessere Vernetzung der Kameras könne das ermöglichen. Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU und GAL zeigten sich von der Idee überrascht. „Das steht gar nicht zur Beratung an“, wunderte sich Kai Voet van Vormizeele, Innenexperte der CDU.

Sein Chef habe um mehr Akzeptanz für die Videoüberwachung werben wollen, erläuterte Polizeisprecher Ralf Meyer. Die Leute empfänden es als normal, dass sie gefilmt würden, wenn sie in der Tankstelle eine Tüte Chips kaufen oder Geld abheben. Nur mit der Überwachung im öffentlichen Raum täten sie sich schwer – dabei helfe sie der Polizei beim Abwehren und Aufklären von Straftaten.

Bei Jantoschs Idee gehe es darum, bei besonderen Anlässen Orte live überwachen zu können – etwa bei großen Veranstaltungen oder Verbrechensserien. Dabei sollten vorhandene Kameras genutzt werden können, auch wenn sie nicht von der Polizei betrieben werden.

„Einer Vernetzung aller Videoüberwachungskameras in Hamburg fehlt jede gesetzliche Grundlage“, kommentierte Farid Müller, der Rechtsexperte der GAL-Fraktion. Bisher seien ihm keine Gründe bekannt, die eine Gesetzesänderung rechtfertigen würden. „Die Idee, die Überwachung auszuweiten und ein großes Netz zu schaffen, wäre mir neu und ich halte sie auch nicht für sinnvoll“, sagte sein CDU-Kollege van Vormizeele.

Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Joachim Menzel bewertete Jantoschs Idee als „abenteuerlich“. Allein technisch sei das nicht ohne weiteres möglich. Schon heute könne die Polizei zur Strafverfolgung alle Videoaufnahmen einsehen. Verbrecher am Bildschirm zu ertappen, sei kaum möglich, weil die Polizei unmöglich das nötige Personal stellen könne. Um Straftaten mit nicht polizeieigenen Kameras vorbeugen zu können, müsste erst das entsprechende Recht geschaffen werden.

Das gelte auch für die knapp 400 Kameras, die zurzeit an öffentlichen Gebäuden hängen und Straßen und Plätze beäugen. Zusammen mit dem Datenschutzbeauftragten arbeite die Justizbehörde daran, die nötige Rechtsgrundlage nachzuliefern. Bis dahin dürften Behörden zumindest keine neuen Kameras an öffentlichen Gebäuden anbringen. GERNOT KNÖDLER