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Transfermarkt der Fußball-BundesligaDie neue Emanzipation

Auf den ersten Blick sieht das Verhalten wechselwilliger Spieler wie Demba Ba "unmoralisch" aus. Doch es zeigt auch, dass sie sich aus der Rolle einer Verfügungsmasse lösen können.

Sein Verhalten ist umstritten: Ex-Hoffenheimer Demba Ba. Bild: dpa

Kurz vor Ende der Transferfrist ist die richtige Zeit, sich Gedanken über die spektakulärsten wechselwilligen Spieler zu machen. Die dazugehörenden Namen sind natürlich Demba Ba, Jefferson Farfan, vielleicht noch Edin Dzeko und Ruud van Nistelroy. Die allgemeine Entrüstung über das "unmoralische" Verhalten von Demba Ba schlug die höchsten Wellen, aber auch die anderen zeigten mit ausgeführter oder angedrohter Arbeitsverweigerung deutlich, dass sie nicht bei ihren Vereinen bleiben wollten.

Einerseits kann man überlegen, ob es sich bei diesen wilden Streiks um ein neues Spielerselbstbewusstsein handelt. Wenn sie sich in einer Branche, in der sie als "Söldner" oder "Legionär" betitelt und die Spieler "einkauft" und nach Gutdünken an andere Vereine "verliehen" werden, nicht mehr mit der ihnen zugewiesenen Rolle als menschliche Verfügungsmasse zufrieden geben wollen; wenn sie nicht mehr nur Trainer, Manager und Spielerberater über ihre Zukunft entscheiden lassen wollen, sondern selbst aktiv mitmischen, dann kann man das eigentlich doch nur begrüßen.

Diese lautstark auftretenden Spieler haben möglicherweise einfach nur verstanden, wie der Apparat Fußball außerhalb des Grüns funktioniert. Man könnte es also eine Art Demokratisierung von unten nennen. Sie werfen das Druckmittel in den Topf, das ihnen zur Verfügung steht, und verweigern den körperlichen Einsatz. Wenn sie sich dabei der Medien bedienen, um ihren Forderungen Gewicht zu verleihen, ist das pfiffig. Warum auch sollten die Kicker die einzigen sein, die in der Geldmaschine Fußball so etwas wie Fairplay praktizieren? Wäre das nicht ausgesprochen dämlich?

Andererseits ist im Fußball natürlich jeder falsch, der sich nicht an Regeln halten will, denn anders funktioniert das Spiel nicht. Man muss wenigstens so tun, als würde man für den Verein, dem man derzeit gehört, alles geben. Wenn außerhalb des Feldes die zugewiesene Rolle nicht mehr akzeptiert wird, ist der Weg zum Nichtanerkennen der Regeln auf dem Platz auch nicht mehr weit. Damit hätte sich Fußball grundsätzlich erledigt.

Farfan und Ba wirkten in ihren Aktionen wie verwöhnte Schulkinder, die anstelle von Reflexion und Analyse tumbe Arroganz und Aggression an den Tag legten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Denn - und das würde ich gerne öfter vergessen – Fußballer handeln doch eher selten aufgrund intellektueller Inspiration.

Und richtig unsympathisch werden die beiden, weil sie nur grob gebolzt und gefoult statt gekonnt gedribbelt haben. Die Agierenden ließen es bei der Durchsetzung ihrer Interessen an jeglichem Stil fehlen. Und ohne Stil geht auch im Fußball ja mal gar nichts.

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4 Kommentare

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  • AM
    Alexis Mirbach

    Tut mir leid Frau Schmidt, aber da fehlt es doch gewaltig an Einschaetzungskraft. Wenn Sie ab morgen fuer die FAZ schreiben wuerden, faende das "ihre" TAZ sicher nicht toll. Sollten Sie festangestellt sein, waere das ohnehin kaum moeglich. Wenn doch: Wuerde die TAZ bei Ihrem Wechsel ueber eine "Demokratierung von unten" jubeln? Nein, die Deutung fiele eher auf Bruch des Arbeitsrechts. Die Erkenntnis, dass Fussball auch - oder vor allem - Geschaeft ist, ist nicht neu, sondern eher in den 1970/80er-Jahren anzusiedeln. Mehr teilen Sie Ihrem Leser nicht mit. Hoechstens noch, dass Sie Anarchie vergnueglich finden. (Von mir aus gerne, aber bitte nicht im Fussball!) Das Medienwesen ist uebrigens auch ein Geschaeft. Ein trauriges Merkmal davon ist das Weiterdrehen von noch so abstrusen Meinungen. Bei Ihnen verzeihbar, da Sie - Achtung, Maenner-Welt Fussball! - offensichtlich nicht allzu vertraut mit der Thematik sind, wirklich schlimm bei Jan Fleischhauer und Konsorten, die Stumpfsinn zur Auflagen- und Klicksteigerung hinausblasen. Nix fuer Ungut, ein Kollege aus dem Proleten-Ressort Fussball.

  • B
    Beobachter

    Diese Spieler haben gültige Verträge mit ihren jeweiligen Vereinen unterzeichnet, und jetzt wird nicht mehr verlangt, als das sie sich an ihren Teil der Abmachung halten. Würden Sie es auch als "Emanzipation" oder "Demokratisierung" gutheißen, wenn die Vereine -als Arbeitgeber- nach eigenem Gutdünken ihre Gehaltszahlungen einstellten?

     

    Auch wenn der Sprachgebrauch im Profisport - "Verkaufen","Verleihen","Spielermaterial" etc. - etwas anderes suggeriert: Spieler sind eben keine Verfügungsmasse. Sie haben sich zeitlich begrenzt an den jeweiligen Verein gebunden. Und niemand kann letzlich gegen seinen Willen transferiert werden.

  • R
    RichtigTür

    Transfereinkommen für die Clubs? Und ich dachte der SKLAVENhandel sei abgeschafft ...

     

    Und wie Nancy die unter Frau Schröders Schangerschaftsanzeige achte ich zunächstmal auf SELBSTpolierte Schuhe!

     

    Die Blaue Eimer auf dem Autodach Kampagne der Russen ist jedenfalls kaum zu toppen.

  • K
    Kristian

    Ja, Profifussballer gelten als "Verfügungsmasse". Das muss jeder wissen, der diesen Job macht. Für +/- 2 Mio. Jahresgehalt darf (nicht muss!) sich eine solche Person zu "Verfügungsmasse" machen. Sie kann alternativ dazu, wie Jürgen Klinsmann, nur Einjahresverträge unterschreiben, die bei einem Durchschnittsprofi vermutlich deutlich schlechter bezahlt wären, weil die Vereine eine gewisse Planungssicherheit haben wollen (natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen...). Allerdings gibt es für wechselwillige Profis andere - für beide Seiten letztlich bessere Möglichkeiten -, den Arbeitgeber zu wechseln, als es Herr Ba getan hat. Z.B. den Verantwortlichen - Managern, Trainern - intern sagen, dass man vorzeitig den Verein verlassen möchte.