Aus für Tour-de-France im TV: ARD & ZDF wollen nicht mehr mitradeln
Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen aus der Live-Übertragung der Tour aussteigen. Der Vertrag mit dem Veranstalter für Sommer 2011 muss aber noch erfüllt werden.

Albert Contador (r.) auf der 17. Etappe der Tour de France 2010. Der Dopingskandal um den spanischen Radprofi dient als Argument für den Ausstieg der Sender. Bild: dpa
BERLIN taz | Die Idee, aus der Tour de France auszusteigen, ist nach taz-Informationen in den Sendern schon weit gediehen. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel und ZDF-Chef Markus Schächter seien sich bereits einig. Ihren Entschluss müssen allerdings noch die übrigen acht ARD-Chefs absegnen.
Die kommen am Montag der kommenden Woche bei Piel in den Räumen des WDR in Köln zusammen, der derzeit den Vorsitz des Senderverbunds innehat. Mit Widerstand in den eigenen Reihen wird kaum mehr gerechnet, denn bei ARD-Gesprächen im Vorfeld habe Konsens geherrscht.
Richtig treffen würde ein Aus vor allem den Saarländischen Rundfunk: Die zweitkleinste der neun ARD-Anstalten ist im Verbund der Sender für den Radsport zuständig. Ihm würde ein Hauptthema weitgehend wegbrechen. Erwartet wird, dass der Ausstieg am Mittwoch von ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky und dem Sportchef des ZDF, Dieter Gruschwitz, bekannt gegeben wird.
Mit dieser Entscheidung würden die Senderchefs vor allem die Konsequenz aus dem ständigen Betrugsverdacht ziehen, der in den vergangenen Jahren einen dunkeln Schatten auf die Frankreichrundfahrt warf und sich in zahlreichen Fällen schließlich auch erhärten ließ.
In diesem Sommer, vom 2. bis zum 24. Juli, werden ARD und ZDF die Tour allerdings noch einmal definitiv ins Programm heben. Bis dahin läuft der stets über mehrere Jahre geschlossene Vertrag mit dem Tour-Veranstalter Amaury Sports Organisation (ASO) noch. Diese Lizenz verpflichtet ARD und ZDF, alle Etappen mindestens zu großen Teilen live zu zeigen.
Nach mehreren Doping-Skandalen dampften die gebührenfinanzierten Kanäle ihre Tour-Übertragung bereits stark ein: 2009 ging der Live-Anteil sogar auf rund 30 Minuten pro Tag zurück. 2010 wurde die Live-Berichterstattung immerhin auf rund 60 Minuten begrenzt. Vor der Krise sendeten die Sender noch ganze Nachmittage durch. Die ASO erwartet auch für dieses Jahr mindestens eine Stunde Liveprogramm am Tag. Sie pocht damit auf Vertragserfüllung, aller Probleme zum Trotz.
Nach taz-Informationen stören sich die Intendanten unter anderem daran, dass der Tour hierzulande die Zuschauer weggelaufen sind: Im Schnitt noch 1,26 Millionen Radsportfans schauten sich im vergangenen Jahr die 20 Etappen an – ein leichtes Plus zum Vorjahr zwar, doch verglichen mit den Boom-Zeiten der Tour war auch das noch immer ein kräftiger Zuschauerschwund.
Vor allem der Fall des Spaniers Alberto Contador gilt nun als Grund für die Konsequenz der Sender-Chefs, von denen sich insbesondere ZDF-Intendant Markus Schächter früh festgelegt haben soll: Der Tour-de-France-Sieger Contador war im vergangenen Jahr positiv auf Clenbuterol getestet worden, ein Mittel, das üblicherweise in der Kälbermast zum Einsatz kommt.
Doping, vorsätzlicher Betrug mit Drogen also, zu Lasten der ehrlichen Fahrer? Contador selbst macht verunreinigtes Fleisch für seine Werte verantwortlich und beteuert seine Unschuld. Er wehrt sich gegen Sanktionen.
Ein regelrechtes Tour-Debakel erlebten die deutschen Sender im Jahr 2007. Damals rutschte die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF ebenso in den Keller wie die der gesamten Radsportszene: Als bei der Tour zunehmend auch deutsche Fahrer in Dopingfälle verwickelt waren, zogen die Sender, denen zudem eine zu große Nähe zum Sport und vorsätzliches Schweigen über kriminelle Energien im Radsport vorgeworfen wurde, die Notbremse. Sie brachen die Übertragung des Radrennens kurzerhand ab.
Damals allerdings hatten die öffentlich-rechtlichen Sender bereits für die folgenden Jahre Verträge mit der ASO geschlossen – und sind damit bis heute dazu verpflichtet, die bisweilen verseuchte Sportart weiter zu zeigen. Schon nach dem Eklat warnte der damalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, nah bei Intendant Schächter: „Ich glaube, dass die Veranstalter verstanden haben, dass der Ausstieg ein Schuss vor den Bug war.
Der zweite Schuss geht in den Bug – und dann ist’s auch zu Ende.“ Angesichts der nun laufenden Affäre um Contador, die zudem von der ARD sogar in weiten Teilen selbst ans Tageslicht befördert wurde, steht fest: Die Verantwortlichen in den Sendern wollen ihr Wort nun auch halten. Das wäre nicht zuletzt auch ein Signal in Richtung anderer Sportarten, ob Schwimmen, Biathlon oder Leichtathletik.
Ein weiterer Grund für das nun avisierte Tour-Aus: Sowohl ARD als auch ZDF versuchen derzeit, bei den Live-Rechten von Sportveranstaltungen zu sparen. Das ZDF verzichtet dafür etwa neuerdings auf Boxen. Beide öffentlich-rechtlichen Sender haben sich zudem entschieden, bei der nächsten Leichtathletik-WM nicht live dabei zu sein – auch, weil die Veranstaltung hierzulande zu nachtschlafender Zeit läuft. Die Tour-Berichterstattung fällt also nicht zuletzt auch dem Rotstift zum Opfer, immerhin kostet sie die Sender pro Jahr etwa drei Millionen Euro.
Leser*innenkommentare
Dirk
Gast
Die Verantwortlichen bei ARD und ZDF, sind doch auch auf Droge.
Eine solch tolle Sommer Sport Unterhaltung, einfach aus dem Programm zu nehmen.
Dann kommt wahrschlich eine weitere Scheiss Kochsendung oder Volksmusik, mit Florian Silberbügel.
Ich Scheisse auf Deutsches Öffentlich Rechtliches Fernsehen.
Mirek M.
Gast
Frau Piel war die Tour immer Dorn im Auge.Bei anderen Sportarten(Gedopten)sagte sie:"Das ist etwas gaaaaaaanz anderes".
TdF 2010,glaube ich.
naja
Gast
und warum überträgt die ARD Handballspiele? Offensichtlich waren die Deutschen nicht gedopt. Die Franzosen ganz sicher.
Und nun?
pilkowski
Gast
...wenn`s danach geht dürfte konsequenterweise keine Olympischen Spiele, keine Fussball-WM, kein Super-Bowl mehr live gezeigt werden. Am besten die Realität gleich ganz den Zuschauern ersparen und nur noch Marienhof senden. Und: 3 Mio - das ist doch ein Witz (da ist doch ein Drittel durch Gewinnspiele wieder `drin). Was kosten eigentlich Th.Gottschalk und F.Silbereisen?
Tsss
Geronimo
Gast
"Die Tour-Berichterstattung fällt also nicht zuletzt auch dem Rotstift zum Opfer, immerhin kostet sie den Sendern pro Jahr etwa drei Millionen Euro"
Es kostet DIE Sender pro Jahr etwa drei Millionen Euro, ihr Lieben.
Kosten regiert den Akkusativ, nicht den Dativ.
***Anmerkung der Redaktion: Danke! Wurde sofort geändert!
tom bola
Gast
Die Berichterstattung könnte doch von der Apoteken Rundschau übernommen werden :).
Radler
Gast
Statt Tour de France lieber einen ARD-Ratgeber Fahrrad, dann wären Gebührengelder endlich mal sinnvoll eingesetzt und nicht für diesen verkommenen Zirkus auf Rennrädern. Seriöse Berichterstattung für radfahrende Menschen gibt es im deutschen TV praktisch nicht, dafür Jahr für Jahr gedopten Leistungswahn mit dicker Werbesoße drauf.
André
Gast
Endlich !
vic
Gast
Dann noch den Gratisurlaub für Altpromis, aka Traumschiff einstellen. und die Sender hätten wieder Mittel für etwas Qualitätsfernsehen.
Coach
Gast
Bitte Reitsportübertragungen auch absetzen. Die dopen ja sogar Tiere, die sich nicht wehren können.
Bei den beiden letzten Olympiaden haben sie ganz Deutschland blamiert.
lena-la-kritz
Gast
Na endlich! Nach all den Querelen und Skandalen bei der TdF ein Lichtblick. Ich hoffe, dass ARD und ZDF aber auch aus der Übertragung anderer Hochdoping- und skandalverseuchten Sportarten aussteigt. Upps-ich denke, das aktuelle Sportstudion wird dann alsbald über etwa ein Sportfest im Kindergarten nebenan oder eine neues "Seepferdchenabzeichen" für die Kleinen berichten müssen.
Besser wär jedoch, die GEZ Gebühren (man lese und staune 3 Mio. nur für EINE TdF-Berichterstattung!) würden in Sendungen mit Sinn und Verstand fließen.
Cabrón
Gast
Im Vergleich mit den Kommentatoren von Eurosport waren ZDF-Leute eh' ausgesprochene Langweiler ;-)
micha
Gast
Ist doch egal, dann kommts halt bei RTL, die haben ja Erfahrungen mit simulierter Wirklichkeit und gescripteten Doku-soaps.
Verrat ich nicht
Gast
Tja, haben ARD und ZDF ja mal wieder einen Grund gefunden an eigentlich guten Programm zu sparen. Wahrscheinlich darf ich mir stattdessen dann einen Zoo samt Tierscheiße angucken. Herrlich...
Das alles begründet man dann noch mit der eigenen Unfähigkeit über Probleme zu berichten, schon sagt keiner was.
Ottissimo
Gast
Und nur die Vollidioten von EUROSPORT glauben (oder müssen noch glauben) an eine "saubere" Tour.
Fischkopp
Gast
Na endlich!
allesundnichts
Gast
Man, das man das noch erleben darf....
Ein Hoch auf die Vernunft!!!