Besiktas Istanbul in der Krise: "Ich habe einen Sohn verloren"

Besiktas, der Transfermeister der Türkei, steckt in der Krise. "So schlecht waren wir noch nie", sagt der Trainer. Die Stimmung im Team könnte kaum schlechter sein.

Nicht zufrieden: Besiktas-Trainer Bernd Schuster (rechts). Bild: dpa

BERLIN taz | "Wir haben einfach die Siegermentalität verloren", sagt Yildirim Demirören. Der Präsident des türkischen Traditionsklubs Besiktas Istanbul wird auch das heutige Europa-League-Spiel seines Vereins gegen Dynamo Kiew eher unruhig verfolgen. Der 46-Jährige Unternehmer mit dem markant fülligen Gesicht steht dem Verein seit knapp sieben Jahren vor - und muss jetzt eine Krise meistern. 2009 gewannen die "schwarzen Adler" noch die Meisterschaft, zum 13. Mal in der Geschichte des 1903 gegründeten Klubs, auch der türkische Pokal wurde in die Vereinszentrale geholt.

Team mit Stars

Danach wurde das Team mit Stars oder solchen, die es noch immer zu sein glauben, aufgerüstet, der Erfolg sollte bleiben. Er tat es nicht, trotz namhafter Verpflichtungen wie Guti, Ricardo Quaresma oder zuletzt Simao und Hugo Almeida in der Winterpause. Das Team verlässt sich zu oft auf die großen Stars, aus den letzten fünf Ligaspielen gab es nur einen Sieg. Platz sechs im Klassement der "Süper Lig", statistisch gesehen ist die Mannschaft so schlecht wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Auf der Bank im Inönü-Stadion sitzt seit dem Sommer der immer noch so blonde, blonde Engel Bernd Schuster, der den Weg von Real Madrid an den Bosporus aber nicht als Karriererückschritt ansehen will. Auch er ist zunehmend ungehalten. "Wir haben am Sonntag bei Ankaragücü bereits unser 39. Pflichtspiel in dieser Saison absolviert, aber so schlecht waren wir noch nie", resümierte Schuster nach der 0:1-Niederlage beim höchstens mittelmäßigen Hauptstadtklub und philosophierte: "Wenn man keine Tore schießt, kann man auch nicht gewinnen."

Auch die im Weltfußball so oft beschworene "Stimmung im Team" scheint die beste nicht zu sein – am Dienstag wurde der arrivierte Mannschaftskapitän Ibrahim Üzülmez fristlos gekündigt. Der 36-Jährige hatte in der Kabine seinen Teamkollegen Ibrahim Toraman, nun, mindestens geohrfeigt. Beide waren bereits im Jahr 2008 aneinandergeraten. Da retteten Üzülmez nun auch nicht die beachtlichen zwölf Jahre im Verein. "Wenn sich unser Kapitän so verhält, können wir das nicht tolerieren. Es war kein leichter Schritt. Ich habe einen Sohn verloren", erklärte Demirören nach der Trennung.

Kaputtes Telefon

Dabei ist auch der Kluboberste selbst für sein mitunter aufbrausendes Wesen bekannt. Einst warf er nach einem Disput mit Stürmer Nihat über Vertragskonditionen das eigene Mobiltelefon gegen die Wand. Kürzlich zückte er gegen den türkischen Verbandspräsidenten Mahmut Özgener die verbale Machete: "Er ist ein Faschist, ein Diktator übelster Sorte."

Özgener selbst hatte nach Beschwerden des Klubs über Benachteiligungen durch Schiedsrichter festgestellt: "Im Fußball gibt es nun mal keine Demokratie. Es gibt Regeln und Entscheidungen, und wir werden gegen diejenigen kämpfen, die diese infrage stellen." Markig und wirklichkeitsnah. Gehört wird das trotzdem nicht gern. Demirören wartet weiter darauf, dass sein Klub die "Siegermentalität" wiederfindet.

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