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Gaddafis GeschäfteVon Coca-Cola bis Juventus Turin

Banken, Medien, Autos - in vielen westlichen Firmen steckt Kapital aus Libyen. Die öffentlichen Staatskassen sind nicht von denen des Gaddafi-Clans getrennt.

Gerade mit Italien hat Muammar al-Gaddafi gern Geschäfte gemacht: Besuch bei Silvio Berlusconi 2009. Bild: reuters

BERLIN taz | Auf umgerechnet 57 bis 107 Milliarden Euro schätzen libysche Oppositionelle der Nachrichtenagentur dpa zufolge das Vermögen der Familie Gaddafi. Wie viel es genau ist, weiß niemand zu sagen. Denn in Libyen werden die öffentlichen Staatskassen nicht vom privaten Vermögen der Gaddafis getrennt.

Der britische Nahostexperte Tim Niblock stellte kürzlich in der Tageszeitung Guardian fest, dass eine "Lücke von mehreren Milliarden Dollar" in den Bilanzen klaffe, wenn man die Ausgaben des libyschen Staats mit dessen Einnahmen aus dem Erdöl- und Gasgeschäft vergleiche. Niblock geht davon aus, dass die Summen, die nicht vom Staat wieder ausgegeben werden, in die Tasche der Gaddafis fließen.

Jedenfalls kontrolliert der Gaddafi-Clan nicht nur das Ölgeschäft, sondern auch weitere Bereiche der libyschen Wirtschaft, vom Coca-Cola-Vertrieb bis zur Telekommunikation. Ende Februar wurden in der EU, den USA und weiteren Staaten die Konten Gaddafis und 24 seiner Familienangehörigen und Vertrauten eingefroren. Mehrere Staaten, darunter Großbritannien, Luxemburg und Österreich, meldeten seither gesperrt zu haben. Nun soll auch das Vermögen libyscher Firmen gesperrt werden.

Das Problem: Das meiste Geld der Gaddafis liegt nicht auf leicht auffindbaren Auslandskonten. Vielmehr haben sie es, insbesondere nachdem die USA im Mai 2006 Libyen von ihrer Terrorliste gestrichen hatte, geschickt in einem unübersichtlichen Netz von Unternehmensbeteiligungen verteilt.

So meldet Die Presse aus Wien unter Berufung auf einen ehemaligen Gaddafi-Vertrauten, dass sich das Familienvermögen allein in Österreich auf etwa 22 Milliarden Euro belaufe - deutlich mehr als die 1,2 Milliarden Euro, die die österreichische Nationalbank bislang identifizieren und einfrieren konnte.

Die Gaddafis hätten ihr Vermögen in etwa 800 Beteiligungen in 73 Ländern angelegt, so der Insider weiter, meist über diverse Stiftungen. Selbst seien Gaddafi und seine acht Kinder dabei nicht in Erscheinung getreten. Die Clearingstelle für die Investitionen sei in Luxemburg.

Mit den Tankstellenketten Tamoil und HEM ist Libyen auch am deutschen Markt aktiv, allerdings ganz offen. Die fast 400 Tankstellen gehören ebenso wie die Holborn Europa Raffinerie in Hamburg der in den Niederlanden registrierten Firma Oilinvest, die auch Tankstellen und Raffinerien in Italien und in der Schweiz betreibt. Oilinvest ist zu 100 Prozent in Besitz des Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA).

Der im Jahr 2006 gegründete Staatsfonds ist formell unabhängig, wird aber de facto wird von Gaddafi kontrolliert. Das Vermögen der LIA wird auf 50 Milliarden Euro geschätzt; seit ihrer Gründung kaufte sich der Fonds in zahlreiche westliche Unternehmen ein. So erwarb die LIA im vergangenen Jahr 3 Prozent am Medienunternehmen Pearson, das auch die Financial Times herausgibt.

Wie aus den von Wikileaks veröffentlichten US-Botschaftsdepeschen hervorgeht, hat die LIA 23 Milliarden Euro bei verschiedenen US-Banken angelegt. Noch wichtiger für die libyschen Auslandsgeschäfte sind Großbritannien, wo über 40 Milliarden Euro angelegt sein sollen - und die ehemalige Kolonialmacht Italien.

Dort stieg Libyen bereits in den siebziger Jahren bei Fiat ein, als der damals angeschlagene Autokonzern dringend Geld brauchte. Zuletzt betrug der Anteil an Fiat 2,6 Prozent. Ein anderes prominentes italienisches Unternehmen, an dem Libyen Anteile hält, ist der Fußballklub Juventus Turin. Im Jahr 2002 erwarb die Libyan Arab Foreign Investment Company (Lafico) für 22,9 Millionen Euro 7,5 Prozent der Anteile am italienischen Rekordmeister; Gaddafis zweiter Sohn, der ehemalige Profifußballer al-Saadi, gehörte eine Zeitlang dem Juventus-Präsidium an.

Die libyschen Beteiligungen in Italien reichen darüber hinaus von der Mailänder Bank Unicredit (2,6 Prozent) und dem römischen Rüstungskonzern Finmeccanica (2 Prozent) über das Mailänder Telekommunikationsunternehmen Retelit (15 Prozent) und der Textilfirma Olcese (22 Prozent) bis zu kleineren Beteiligungen am Energieriesen ENI oder an der Telekom Italia.

In Italien findet sich auch eine von zwei bekannten Investitionen, an denen Gaddafi persönlich beteiligt war: 15,7 Millionen Euro investierte er in eine Hotelanlage im mittelitalienischen L'Aquila. In der von einem Erdbeben zerstörten Stadt hatte Silvio Berlusconi im Sommer 2009 den G-8-Gipfel abgehalten, an dem auch Gaddafi teilnahm. Eine Schlüsselrolle bei den Geschäften in Italien nimmt die in Rom ansässige libysche Bank UBAE ein.

Am Dienstag einigte die Europäische Union sich darauf, das Vermögen einer Reihe von libyschen Finanzunternehmen einzufrieren. Betroffen sind die LIA und vier weitere Institutionen. Die Sanktionen werden voraussichtlich am Freitag in Kraft treten. Zuvor hatte schon die US-Regierung LIA-Besitz in Höhe von insgesamt 23 Milliarden Euro eingefroren.

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7 Kommentare

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  • AR
    Adam Riese

    zu den Milliarden von Gadafhi kann man stehen wie man will, immerhin hat er seine Landsleute nicht in einen solchen finanziellen Abgrund befördert wie es unsere

    Potentaten seit Jahren systematisch tun.

     

    http://www.theintelligence.de/index.php/politik/international-int/2312-die-finanzielle-lage-libyens.html

  • V
    Vic

    Hat sich die taz-Redaktion mal hingesetzt und geprüft, wie oft über den Diktator Gaddafi eher verharmlosend berichtet wurde? Der wurde doch als skurile, irgendwie entrückte, poppige und belustigende Person dargestellt.

    Dabei ist er ein Schlächter!

     

    Wer mit einem Finger auf jemanden zeigt, der weist mit drei Fingern auf sich. Eine scheinheilige Berichterstattung war das über viele Jahre hinweg.

     

    Nun wußten alle immer schon alles über seine üblen machenschaften - so unkritisch sich selbst gegenüber geht es auch nicht.

  • SH
    SRI HARI

    Gut das es die TAZ gibt! Dann hört das mit dem Geschäfte machen auf der Welt bestimmt nächste Woche auf! Glück gehabt

  • A
    allaOM

    Ach so, es gibt Menschen auf der Welt die mit anderen Menschen Geschäfte machen und verdienen Millionen Milliarden dabei und ich verdiene 800 Euro im Monat?! Das wusste ich nicht. Das ist ja unerhört! Damit habe ich nicht gerechnet. Da ist mein Tag jetzt schon kaputt. Ich brauche doch die Kraft um heute Nachmittag meinen Spätdienst in der ambulanten Betreuung von psychisch Krank gemachten Menschen anzutreten. Bei wem kann ich mich beschweren? Bei Angela und Guido? Oh Gott. Gut das es die Pharmaindustrie gibt!!!

  • S
    Sara

    Die arabische Diktatoren sind zwar gierig, jedoch Millionen mal besser als die ausländischen gnadenlosen Ölraüber, die Bodenschätze unverhohlen wegnehmen, Civilisten umbringen...Heute 09.03.11 sind 5 Kinder bei Angriff auf einem Dorf (Häuser)in Afganistan umgebracht worden. Überall wo die gierige Ölfirmen ansässig sind, laüft auch eine systimatische Tötung der Einheimischen (Irak, Afghanistan...). Letzte Woche traff ich zwei Iraker u. ich habe sie nach der Situation im Irak gefragt. Sie meinten unter Sadam war es tausend mal besser als heute.

    Vertreter der Libyer bekräftigten heute beim EU-Parlament in Strasbourg, dass sie gegen jegliche Anwesenheit von ausländern auf ihrem Boden. Doch die Ölraüber hören dies nicht gern: erstmal sollten wir gucken ob wir überhaupt die Representanten Libyens anerkennen. Erstmal hose runter dann gibt es Hilfe.

  • HS
    Horst Schwabe

    Gaddafi war Europas Torwächter. Das hat zwar eine Menge Geld und Selbstüberwindung gekostet, war aber besser, als 20 Millionen Afrikaner in Europa. Und Mubarak hat wie Sadat den Frieden im Nahen Osten gesichert. Wenn nach Mubarak wieder ein neuer Nasser kommt, der die Juden ins Meer treiben will, dauert der nächste Sieben-Tage-Krieg nur sieben Minuten. Natürlich kann man mit ein klein wenig kindlicher Begeisterung die Welt umkrempeln; besser wird es dadurch nicht immer.

  • 2
    2010sdafrika

    Es ist tragisch, welche Informationen aus Libyen nach Europa durchsickern. Man liest, dass die Truppen des sog. Revolutionsführers immer mehr Städte zurück erobern können, immer mehr zivile Opfer zu beklagen sind und immer mehr ausländische Regierungen gegen eine Flugverbotszone sind. Wenn diese Tendenz anhält, dann sehe ich diesen ersten Ansatz für Demokratie in Libyen für gefährdet. Der Westen sollte handeln und das Volk beim Sturz des Despoten aktiv unterstützen: http://2010sdafrika.wordpress.com/2011/01/16/burgerkrieg-droht-in-tunesien-lybiens-blogger-mobilisieren-volk/.