Urban, neu, günstig – und utopisch

WOHNEN Eine Sozialquote für Bauprojekte und zusätzliche Belegungsbindungen für alte Wohnungen soll zu mehr günstigen Mieten führen. Die können jedoch Kosten für Neubauten bei Weitem nicht decken

In der Debatte über das Wohnen im Schrebergarten hat sich Rot-Grün nun auf einen Antrag an den eigenen Senat geeinigt.

■ Demnach gibt es rund 100 „nicht rechtmäßige Wohnnutzungen“ in Kleingärten, gegen die „vorgegangen“ wird, zudem etwa 200 leere Kaisenhäuser, die zum Abriss freigegeben sind.

■ Vorerst sollen bewohnte Parzellen nicht mehr abgerissen werden. Zudem soll ein Konzept für alternatives Wohnen in „Kleinsiedlungen“ vorgelegt werden.  (taz)

Das „Bündnis für Wohnen“ hat sich auf erste Maßnahmen geeinigt, um den großen Mangel an preiswertem Wohnraum zu bekämpfen.

So habe man sich „im Grundsatz verständigt“, dass ein Viertel aller neu bebauten oder neu ausgewiesenen Flächen jenen vorbehalten sein soll, die sich „keine hochpreisigen Wohnungen leisten können“, sagte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD). In den kommenden Wochen soll das in „verbindliche Abreden“ gegossen werden. Auch die Umnutzung leerer Büros oder die Aufstockung bestehender Häuser werden diskutiert.

Um auch schnell etwas zu erreichen, wird nun nach dem Vorbild von Hamburg und Köln geprüft, bestehende soziale Belegungsbindungen von Wohnungen zu verlängern sowie neue anzukaufen. Derzeit fallen in Bremen jährlich über 800 solcher Sozialwohnungen weg, allein zwischen 2005 und 2010 halbierte sich ihre Zahl auf 4.586. Dabei stehen Bedürftige bei der Wohnungssuche auch untereinander zunehmend in Konkurrenz: „Es gibt einen Verdrängungseffekt zwischen Wohnungslosen und dazu zwischen Gruppen von Menschen, die wenig Geld haben“, sagt Petra Kodré von der Bremer Fachstelle Wohnen. Wer in eine Sozialwohnung ziehen will, darf als Alleinstehender 12.000 Euro im Jahr verdienen, bei zwei BewohnerInnen sind es 18.000 Euro. Für jedes Kind dürfen es 500 Euro mehr sein.

Dem Bündnis für Wohnen gehören neben VertreterInnen der Wohnungswirtschaft, der Politik und der Verwaltung auch Mitglieder der Bremer Initiative „Menschenrecht auf Wohnen“ an. Bis April wollen sie sich auf ein gemeinsamen Konzept einigen. Bis 2020 – so das erklärte Ziel – sollen jährlich 1.400 neue Wohnungen entstehen. Im vergangenen Jahr wurde dieses Ziel schon erreicht, sagte Bausenator Joachim Lohse (Grüne) gestern, in den beiden Jahren davor entstanden jedoch nur etwa halb so viele Wohnungen. Bremen hat deshalb ein Darlehensprogramm von knapp 40 Millionen Euro aufgelegt, zudem wurden 30 Bauflächen für rund 3.700 neue Wohnungen vorgestellt.

Allerdings klafft eine große Lücke zwischen den gegenwärtigen Baupreisen und dem, was mit maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter als Sozialmiete gilt. Die private Wohnungswirtschaft sagt, günstigstenfalls seien Baukosten von acht Euro pro Quadratmeter realistisch, eine Rendite von fünf Prozent eingerechnet. Lohse geht eher von 9,50 Euro pro Quadratmeter aus – man dürfe da „nicht zu optimistisch“ sein, sagt er. Wie diese Lücke geschlossen werden soll, ist noch völlig unklar. Lohse hofft, sie durch günstigere Konditionen für Darlehen und den Preis für öffentliche Baugrundstücke überbrücken zu können. „Der Markt allein wird das nicht richten“, sagt Böhrnsen.

Zugleich erteilte er neuen Debatten etwa über eine Bebauung der Osterholzer Feldmark eine Absage: „Die Frage großflächigen Wohnens auf der grünen Wiese stellt sich nicht mehr“, sagte er. „Die Leute wollen urbanes Leben.“ Böhrnsen sieht im Faulenquartier und der Überseestadt „riesiges Potenzial“.

Die eigene Verwaltung will Böhrnsen verpflichten, Ermessensspielräume „im Zweifelsfall“ für den Wohnungsbau zu nutzen und Entscheidungen schneller zu treffen. Lohse sieht da keine Defizite: Es gebe nur „einzelne Fälle, wo sich die Dinge länger hinziehen“.

Joachim Barloschky von der Initiative „Menschenrecht auf Wohnen“ sagte, das Bündnis zeige, dass man gemeinsam auf dem Weg sei, die Probleme zu lösen. „Wir werden darauf achten, dass bei Neubauten von der 25-Prozent-Quote kein Deut zurückgewichen wird.“  JAN ZIER