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Autonomes Zentrum soll geräumt werdenBarrikaden in Köln-Kalk

Die Kölner Sparkasse will die "Rechtsstaatlichkeit" wieder herstellen und eine Immobilie räumen lassen, die sie vergammeln ließ. Dort hat sich ein Autonomes Zentrum etabliert.

Widerstand durch Präsenz: Hausbesetzer und Sympathisanten vor dem "Autonomen Zentrum". Bild: beucker

KÖLN taz | Es herrscht eine gespannte Ruhe in der Wiersbergstraße 44 im Kölner Stadtteil Kalk. Hinter Barrikaden verschanzt, beobachten rund 200 Menschen aufmerksam die Umgebung. Viele sind vermummt, noch mehr übernächtigt. Kein Wunder, seit dem frühen Dienstagmorgen rechnen sie mit dem Schlimmsten: Der Räumung ihres "Autonomen Zentrums". Jeden Moment könnte es soweit sein. Die Polizei steht in Sichtweite.

Seit fast einem Jahr ist die ehemalige Betriebskantine der Firma Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) nun bereits besetzt. "Die Besetzung hat das Ziel einen Raum zu schaffen, der abseits von Konsumzwang, Diskriminierung und Repression Platz für kreatives, politisches und kulturelles Leben bietet", erklärten seinerzeit die überwiegend jugendlichen AktivistInnen der Kampagne "Pyranha", die die Besetzung initiierten. Seitdem zog wieder Leben in das zweigeschossige Gebäude ein, das eine Immobilientochter der Stadtsparkasse Köln-Bonn jahrelang leer vor sich hin hatte gammeln lassen.

Mit wenig Geld, aber desto mehr Engagement entstanden Ateliers, Arbeitsräume, Holz-, Metall- und Farbwerkstätten, eine kleine Bibliothek, eine Fahrradwerkstatt, ein Infoladen, ein "Umsonst-Laden" und ein "autonomer Wintergarten". Zahlreiche Diskussionsveranstaltungen, Workshops und Ausstellungen fanden im "Autonomen Zentrum" statt - und noch mehr Konzerte und Partys. Sogar der Eurovision Song-Contest wurde im vergangenen Jahr im "Kinosaal" übertragen.

Doch mit alledem soll es nun vorbei sein. Offenkundig mit Rückendeckung des Kölner SPD-Oberbürgermeisters Jürgen Roters will die Sparkasse "die Rechtsstaatlichkeit wieder herstellen". Seit Anfang der Besetzung im April 2010 hätten sie versucht, mit dem Geldinstitut konstruktive Gespräche zu führen und immer wieder nach Gesprächsterminen gefragt, beklagen sich die BesetzerInnen. Die Anfragen seien jedoch "lediglich mit dem Abschalten der Strom- und Wasserversorgung beantwortet" worden. Inzwischen hat die Sparkasse einen Räumungstitel erwirkt. Und sie scheint fest entschlossen, ihn mit allen Mitteln durchsetzen zu lassen - trotz zahlreicher Appelle, zu einer Verständigung mit den BesetzerInnen zu kommen.

So forderte die Ratsfraktion der Kölner Grünen den Sparkassen-Vorstand auf, von einer Räumung der Ex-KHD-Kantine abzusehen. Ein "Kurs der Deeskalierung" sei "politisch unbedingt geboten". Deshalb solle die Nutzung des Gebäudes für soziokulturelle Aktivitäten bis zu einer endgültigen Bebauung des Areals geduldet werden. "Köln braucht kreative Räume", heißt es in der grünen Fraktionserklärung. "Daher ist das Interesse der jungen Menschen, ein solches Kulturzentrum auf legaler Basis zu betreiben, interessant und sollte nicht einfach vom Tisch gewischt werden."

Jetzt einfach ein Gebäude abzureißen sei "widersinnig", kritisiert auch die Ratsfraktion der Kölner Linkspartei. Nach Räumung und zwangsläufigem Abriss entstünde in Kalk lediglich eine weitere ungenutzte Industriebrache. Linksfraktionschef Jörg Detjen vermutet ein perfides politisches Manöver. "Spätestens am 31. März muss die Stadt das Gelände von der Sparkasse übernehmen", sagt er. "Es scheint so, als wollten SPD und Oberbürgermeister die ,Schreibtischarbeit' von der Sparkasse und die ‚Drecksarbeit' von der Kölner Polizei erledigen lassen." Der Hintergrund: Im Zuge der von der EU-Kommission geforderten Neuordnung der Sparkasse ist das Geldinstitut gezwungen, das gesamte KHD-Gelände samt besetzter Werkskantine zu verkaufen.

Auch die Polizei scheint sich nicht ganz wohl in ihrer Haut zu fühlen. Laut Informationen des Kölner Stadt-Anzeigers soll die Behördenleitung Oberbürgermeister Roters schriftlich Bedenken gegen eine Räumung mitgeteilt haben. Die BesetzerInnen hätten sich schließlich bislang stets friedlich verhalten. Ob solche Hinweise noch etwas nützen, ist fraglich.

Die BesetzerInnen sind jedenfalls vorbereitet. Nachdem sie den Tipp erhalten hatten, die Räumung stehe unmittelbar bevor, sind sie seit Dienstagmorgen um 4 Uhr in Alarmbereitschaft. Die jungen Leute wollen ihr "Autonomes Zentrum" nicht einfach kampflos aufgeben, sondern passiven Widerstand leisten. "Von den BesetzerInnen wird keine Eskalation der Räumungssituation angestrebt", heißt es in ihrem "Aktionskonsens". Das bedeute unter anderem: "Keine Steine oder andere Dinge werfen, keine Barrikaden anzünden, keine körperlichen Angriffe auf PolizistInnen u.ä." Es sei "allerdings in Ordnung und erwünscht, die Entschlossenheit der Besetzung durch körperliche Präsenz zu demonstrieren".

Aber noch ist es nicht soweit. Zwar fuhr die Polizei am Dienstag mit zahlreichen Wannen vor und postierte sich um das "Autonome Zentrum". Wer keinen Schleichweg fand, kam nur noch nach einer Personenkontrolle ins Haus. Geräumt wurde jedoch erst mal nicht. Bundespräsident Christian Wulff war in der Stadt, besuchte Gedenkveranstaltungen zum 100. Geburtstag der NS-Widerstandskämpferin Freya von Moltke. Ein Polizeieinsatz hätte sich da nicht so gut gemacht.

Jetzt ist Mittwoch – und Wulff wieder weg. Die Polizeipräsenz rund um das Haus ist geblieben. Trotzdem hoffen die BesetzerInnen noch auf eine Verhandlungslösung in letzter Sekunde. Hinter den Kulissen sollen die Drähte heiß laufen. Sie wollten "weiterhin Gespräche mit Stadt, Sparkasse und Politik über Lösungen für die Situation führen", heißt es in einer am Mittwochmittag veröffentlichten Erklärung der BesetzerInnen. Grundlage für solche Gespräche müsse jedoch die Zusage sein, dass für die Dauer der Gespräche keine Räumung stattfinden wird.

Am späten Mittwochnachmittag hat die Polizei erst wiederholt damit begonnen, Menschen nur nach Personalkontrollen durchzulassen, dann riegelte sie das Gelände komplett ab. Die Spannung an der Wiersbergstraße 44 steigt weiter.

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16 Kommentare

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  • SH
    s. Hechler

    @unbekannt und @von fascho trolls auslachen

     

    Das hier sofort Kritiker als NPD Fans hingestellt werden zeigt warum ich die Hardcore Linken genauso schlimm finde wie die Rechten. In welcher weise Unterscheidet ihr euch von denen? Jeder der euch und eure Haltung kritisiert ist ein NPD Anhäger, was?

    Ihr habt euer komisches Gedankengut, wie die Rechten auch ihres. Abgesehen davon das es sich nur sehr Unterscheidet, gibt es in den Vorgehensweisen kaum unterschiede. Unbedingter Wille die eigenen Ideale durchsetzen zu wollen. Notfalls auch mit Gewalt (ich hab beide Seiten mitbekommen wie gewaltätig es werden kann. Also tut nicht als wärd ich die Unschuld vom Lande)

    Und nein.. ich bin kein NPD Fan (oder wie du das nennst). Ich bin verfechter beider Seiten. Man kann eben nicht anderer Leute Eigentum besetzen. Findest du das praktisch wenn ich mich bei dir einfach einniste? Ich denke du wärst auch nicht gerade begeistert von der Sache. Das hier ist Gott sei Dank keine Anarchie. Es gibt Eigentum, Gesetze, Verbote und Rechte an die man sich halten muss. Und das ist auch gut so.

    Die antiamerikanischen Sprüche gehen daraus hervor das ich deren Verhalten ebenfalls kritisiere.

    Gebäude besetzen hat nichts mit "Herz am rechten Fleck" zu tun. Ganz im Gegenteil. Es ist UNRECHT.

    Ich besitze eine Wohnung in Rosenheim die ich vererbt bekommen habe. Da ich diese nicht bewohne, vermiete ich sie. Aber wenn sie mal leer steht, lasse ich da auch niemanden drin Wohnen. Hat weder was mit sozialer Kälte noch sonst was zu tun. Wenn sich da einer einnistet, kannst du dich darauf verlassen das ich ihn da persönlich raushole. Es ist mein EIGENTUM (ja eigentum gibt es).

    Und auch ja... die sollten ins Gefängnis. Wer gegen Gesetze in Deutschland verstößt, gehört bestraft. Man darf sowas nicht einreissen lassen.

     

    Und nochmal ganz speziell an von fascho trolls auslachen:

    Was hast du da mit Ausbeutung und Herrschaft? Willst du etwa sagen das du in Deutschland ausgebeutet wirst????

    Nicht dein Ernst oder? Der Lebensstandard in Deutschland, verglichen mit anderen Ländern ist verdammt hoch.

     

    Liebe Grüße

    S. Hechler

  • FT
    fascho trolls auslachen

    Oh, die bösen, kriminellen Besetzer. Ja, das sind ganz schlimme Finger, die sollten alle ins Gefängnis, immerhin tragen die schwarze Tücher vor dem Gesicht.

    Entern die NPD - Fans mal wieder anonym die Taz - Kommentarspalte? :D

    Zumindest die antiamerikanischen Sprüche weisen darauf hin das da eine ähnliche Geisteshaltung vorliergt.

    Whatever.

     

    Man kann nicht einfach so Häuser besetzen? Doch man kann, und das wird immer wieder passieren, solange es noch Menschen gibt die das Herz am richtigen Fleck haben. Man kann auch ganz anderes besetzen als zehnjährigen Leerstand.

    Ratshäuser, Banken, Fabriken, Kraftwerke, Radio- und Fernsehstationen, Konzern- und Parteizentralen. Und Zeiten in denen das noch mal passiert, lassen schon viel zu lange auf sich warten.

    Für eine Welt jenseits von Eigentum, Herrschaft und Ausbeutung!

  • U
    Unbekannt

    Och kommt.....eure Online-Redaktion postet die Kommentare nicht ohne Überprüfung? -Oder warum erscheint meiner da nicht umgehend? -Keinen Bock auf Streitkultur?

    -also....Facebook ist da fortschrittlicher!

    Nennt man das unter Umständen Zensur? -Dann frag ich mich aber wie da so´n Müll durchsickern kann...!

     

    -Gruß an die Administratoren!

  • U
    Unbekannt

    Oh wow.... mir wird ganz anders wenn ich die Kommentare hier lese......

    Ich war vor Ort, und habe zum Einen erlebt, was für engagierte Menschen da für einen Freiraum kämpfen, in dem ein kultureller Ausstausch stattfinden kann, und zum Anderen, wie schwer die Verhandlungen mit der Sparkasse waren... Die sich bis kurz vor Ultimo zu keinerlei Gesprächen/ Verhandlungen bereit erklärt hat, und dann zunächst auch nur zu einem 10-Minuten Telefonat..... -so viel zum Thema "AZ-Typen"......

     

    Und..."die gehören ins Gefängnis" ??? Ist das echt TAZ-Leser- Style, oder liest die Rechte hier mit? -Wo kommt dieses faschistoide Gedankengut her?

    Ganz nach dem Motto: Ich werf mein Essen lieber weg, bevor Du noch die Reste frisst!? Und wenn Du sie aus der Tonne holst, gehst Du in den Bau!

    Von so viel sozialer Kälte fang ich das Frieren an...

     

    Der schnöde Mammon.... -frisst euch arme Seelen!

  • F
    Fridolin

    Wir haben gewonnen,

    wir haben das Veddel bunt gemacht und werden das weiterhin tun...geht doch in eure langweiligen Kneipen ihr neoliberalen ÖkoFDP Wähler, lasst euch bloss nicht bei und blicken...

     

    Deutschland ist so langweilig unrevolutionär...ihr versteht doch garnicht worum es geht, bleibt in eurer Kiste leben...ihr seid so scheisse aller!!!

     

     

    Wir haben ein Haus...juhuuuuuuuuuuuuuuuuu, wir waren toll...ich liebe euch alle...und das AZ liebt uns...

  • SH
    s. Hechler

    @rauhfuß

     

    Was die machen ist illegal. Man kann nicht einfach Gebäude besetzen die einem nicht gehört....

    Wir sind keine Amerikaner

  • G
    Graswurzel

    Ich bin schwer entsetzt, traurig & wütend über die Kommentare der scheinbar neo-bourgeois-konservativen taz-Leser (ich wette ihr wählt grün, stimmts?!).

     

    Sucht mal im Internet nach "Stadtsparkasse Köln" & "Korruption"....dann könnt ihr euere Ansichten über "Kriminelle" evt. ein bisschen erweitern.

     

    Niemand hat behauptet, dass für das AZ keine Miete gezahlt werden soll.... als Kölnerin kann man allerdings angesichts der Gelverschlingenden Fässer ohne Boden in dieser Stadt (U-Bahn-Bau: 100 Millionen Euro + 2 Tote), in die diese korrumpierte Stadtverwaltung immer weiter fleißig Geld einwirft, schon ein bisschen wütend werden, wenn friedlichen (!) und engagierten jungen Menschen beim Aufbau eines alternativen Kulturzentrums nicht mal mortalisch, geschweigfe denn monetär geholfen wird.

     

    Also haltet euch doch bitte in Zukunft an die ganz einfache Regel: Erst informieren, dann von mir aus blöd daherschwafeln.

  • A
    aahhhkaaaab!

    Zeitangaben sind falsch. Seit Montagmorgen um 4, nicht Dienstags.

  • BA
    bleibt anonym

    ca 6:00 Uhr morgens

    lage ruhig und bisher nicht der anschein von seiten der polizei das die räumung losgeht...

    menschen sammeln sich am infopunkt in der nähe des az's da sie nicht mehr durchgelassen werden nur verlassen ist möglich

  • R
    rauhfuß

    Hier zeigt sich wieder einmal die eiskalte Fratze unserer kapitalistischen Diktatur. Wenn innovative Menschen aus dem Müll der Konsumgesellschaft etwas neues aufbauen, das den kapitalistischen Regeln widerspricht, ist es der herrschenden Klasse mit ihren Politikern ein Dorn im Auge und muß weg.

  • K
    K.S.

    Wie wäre es denn mit autonom Räume anmieten und autonom Miete zahlen? ;-)

  • S
    sammael

    Die "Gespräche" sind ganz einfach und enden üblicherweise mit einem Notartermin und anschließender Kaufpreiszahlung....

     

    Also... liebe Autonomen... einfach den ortsüblichen Richtwert bezahlen, beim Notar die Eigetumsumschreibung veranlassen und alles ist gut.... achso... zahlen wollen sie nicht... aber trotzdem behalten.... tja... dann "tschüß"

  • S
    S-Type

    Da den Besetzern das Gebäude nicht gehört, verstoßen sie gegen zahlreiche Gesetze und gehören ins Gefängnis. Wenn sie es haben wollen, können sie es ja kaufen, wie jeder andere normale Mensch auch.

  • Z
    ZTVS

    @ Besetzer:

    Haltet durch! Noch etwas mehr Publissity und ihr könnt euer AZ behalten! Bundesweite Solidarität ist euch gewiss!

     

    @ Kölner Polizei:

    Ich weiß, ihr müsst halt Befehle ausführen. Aber das geht doch hoffentlich auch ohne Gummiknüppel und Reizgas, oder?

  • A
    Alexandra

    Ich hoffe die Polizei wird entschlossen und kraftvoll gegen diese kriminellen Besetzer vorgehen, die können doch einfach mal die Parteizentralen der Linken und Grünen besetzen, die haben ja anscheinend kein Problem mit einer illegalen Besetzung.

  • JR
    Jan Reyberg

    Eigentum verpflichtet und soll zugleich im Gebrauch der Allgemeinheit dienen. Das tut es wohl nicht durch Leerstand. Daraus folgt aber nicht, dass sich jeder Dahergelaufene alles was gerade stillsteht einfach aneignen kann.

     

    Wenn die Sparkasse das ohnehin verkaufen will, warum kaufen diese AZ-Typen das nicht? In Freiburg klappt sowas ähnlches doch auch.