Daily Dope: "Nimm Salz und trinke viel"

Kurz glaubten Radsportfans, eine neue Form der unerlaubten Leistungssteigerung entdeckt zu haben: Techno-Doping. Doch es dominiert die umfassende Pharma-Kompetenz.

Viele Kilometer Dopinglust: Die Strecke Paris-Roubaix. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Sieger des vergangenen Jahres gehört auch am Sonntag zu den Favoriten. Der Alleinfahrspezialist Fabian Cancellara wird nur schwer zu schlagen sein. Im vergangenen Jahr staunten die Beobachter nicht schlecht über seinen Alleingang auf den letzten Kilometern nach Roubaix. Ein paar von ihnen schauten sich das Rad des Schweizers ganz genau an und glaubten bald, erklären zu können, warum keiner aus dem Feld Cancellara folgen konnte. Er soll einen kleinen Elektromotor in seinen Rahmen eingebaut haben. Schnell war von Techno-Doping die Rede. Kein Wunder: Radsportlern traut man alles zu.

Der Weltverband UCI leitete eine Untersuchung ein und heute weiß man: Cancellara fährt ohne Elektromotor. Ein spezielles Graphit-Kugellager und ein eigens dafür optimiertes Öl macht sein Rad schneller als die der Konkurrenten. Entwickelt hat es der Ingenieur Giovanni Cecchini. Cecchini? Da war doch was? Der Name ist wohl bekannt im Peloton. Luigi Cecchini, weder verwandt noch verschwägert mit Giovanni, hat über Jahre etlichen Profis Trainings- und Medikationspläne geschrieben. Der Arzt war ein Schüler des legendären Universitätsprofessors Francesco Conconi, der das Blutdopingmittel Epo für den Radsport entdeckt hat.

Fabian Cancellara, der dauernde Weltmeister im Einzelzeitfahren war lange Luigi Cecchinis Kunde. Eher widerwillig beendete er die Zusammenarbeit mit dem Doktor, nachdem diese 2006 bekannt geworden war. Natürlich sagt Cancellara, dass er nie etwas mit Doping zu tun hatte. Und natürlich weiß er, dass nicht wenige, die bei Paris-Roubaix zu Legenden geworden sind, nicht ohne pharmazeutische Hilfsmittel ausgekommen sind in ihrer Karriere.

Seinem Ansehen haben die Epo-Experimente nicht geschadet

Einer von ihnen ist Francesco Moser. Der Italiener hat das Rennen von 1978 bis 1980 drei Mal hintereinander gewonnen. Insgesamt stand er sieben Mal auf dem Podium und gilt als einer der Heroen des Rennens. Dass er einer derjenigen war, an denen der Epo-Professor Conconi seine sportwissenschaftlichen Experimente am lebenden Sportler vollführte, hat Moser erst Jahre nach seiner Karriere zugegeben. Seinem Ansehen hat das kaum geschadet. Als erster Präsident der Fahrergewerkschaft CPA, die sich 1999 nach dem Drogentod des italienischen Kletterspezialisten Marco Pantani gegründet hat, inszenierte er sich als Kämpfer wider das Doping. Als gefallenen Helden würde ihn wohl keiner bezeichnen.

Beim Belgier Johan Museeuw, ebenfalls dreifacher Sieger in Roubaix, ist das durchaus anders. Sein Triumph 2000 rührte manch hartgesottenen Radsportfan zu Tränen. Zwei Jahre zuvor war er auf einer Kopfsteinpflasterpassage des Rennens schwer gestürzt. Die Kniescheibe war zertrümmert und das Bein so angeschlagen, dass die Ärzte über eine Amputation nachdachten. Als er 2000 über die Ziellinie fuhr nahm er seinen linken Fuß vom Pedal, und zeigte auf das Bein, das er beinahe verloren hätte.

Seinen Heldenstatus verlor Museeuw spätestens 2008

Seinen Heldenstatus verlor Museeuw spätestens 2008, als ihn ein belgisches Gericht zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt hat. Von einem Tierarzt hatte er sich Epo und das ähnliche wirkende Aranesp besorgt. Der Veterinär beriet den Pedaleur bei der Medikation via SMS. Als Museeuw einmal mitteilte, sein Hämatokritwert liege über dem Grenzwert, schrieb der ebenfalls verurteilte Arzt zurück: "Nimm Salz und trinke viel."

Mit derartigen Tipps kennt sich ein anderer Betreuer gewiss gut aus. Der Däne Bjarne Riis, der sein Blut in der Blütezeit des Epo-Dopings bis weit über heute geltende Grenzwerte hinaus manipuliert hat, wird ganz nah dran sein, wenn die Fahrer über das Kopfsteinpflaster brettern. Der Tour-de France-Sieger von 1996, ist heute Teamchef beim Rennstall Saxo-Bank. Auch er hat sich einst von Luigi Cecchini betreuen lassen - so wie Cancellara bis 2006. Im vergangenen Jahr fuhr der Schweizer noch für Riis Team. Jetzt ist er eines der Zugpferde im neuen Luxemburger Rennstall Leopard. Dessen sportlicher Leiter ist so etwas wie ein Doping-Rekordhalter. Kim Anderson, 1984 Sieger des Frühjahrsklassikers Flèche Wallone, ist als erster lebenslang gesperrter Profi in die Geschichte seines Sports eingegangen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.