: Neuer Anlauf für EU-Haftbefehl
Vier Monate nach dem Urteil des Verfassungsgerichts präsentiert Zypries neuen Gesetzentwurf: Auslieferung Deutscher in bestimmten Fällen nun strenger geregelt
FREIBURG taz ■ Bald können Deutsche wieder an Strafgerichte im EU-Ausland ausgeliefert werden. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) legte gestern einen neuen Gesetzentwurf über den Europäischen Haftbefehl vor. Im Juli hatte das Bundesverfassungsgericht einen besseren Schutz deutscher Staatsbürger gefordert und das damals geltende Gesetz für nichtig erklärt.
Wichtigste Neuerung: Deutsche dürfen nicht mehr ausgeliefert werden, wenn die Straftaten „maßgeblichen Inlandsbezug“ haben. Was das heißt, erklärte Zypries gestern an einem Beispiel. „Wenn ein Deutscher in Düsseldorf mit dem heimischen PC betrügerisch Waren versteigert und neben 50 deutschen Opfern auch ein Schwede betroffen ist, dann muss der Täter nicht mit einem Gerichtsverfahren in Schweden rechnen.“ Nach Zypries’ Überzeugung hätten Behörden und Gerichte zwar auch nach der alten Rechtslage so entschieden, aber Karlsruhe wollte eine Klarstellung im Gesetz.
In Mischfällen – ein Teil der Opfer wohnt in Deutschland, viele andere im Ausland – müssen die Behörden künftig eine Ermessensentscheidung treffen. Eindeutig zulässig ist die Auslieferung ins EU-Ausland aber, wenn zum Beispiel ein Deutscher in Frankreich einen Franzosen ermordet haben soll. Dann kann der Strafprozess künftig am Tatort stattfinden, Zeugen und Angehörige müssen nicht nach Deutschland anreisen.
Bis 2004 war die Auslieferung Deutscher ins Ausland ausgeschlossen gewesen. Dann aber wurde das Grundgesetz geändert, die EU beschloss den Europäischen Haftbefehl. Dieser sieht vor, dass eigene Staatsbürger ins EU-Gebiet ausgeliefert werden, wenn gegen sie dort ein Tatverdacht besteht. Bei der Auslieferung von Ausländern beschleunigt sich das Verfahren. Bei 32 Deliktsgruppen von Terrorismus bis Korruption muss nicht mehr geprüft werden, ob die konkrete Tat in beiden Staaten strafbar wäre.
Die Verfassungsrichter kritisierten den EU-Haftbefehl nicht grundsätzlich, sondern nur die Umsetzung in Deutschland. Berlin habe die Spielräume im EU-Recht zum Schutz deutscher Staatsbürger vor einer Auslieferung nicht ausreichend genutzt.
Bis zum Spruch aus Karlsruhe waren nur etwa 20 deutsche Staatsbürger ausgeliefert worden. Neun Deutsche, die schon in Auslieferungshaft saßen, wurden nach Regierungsangaben in Folge des Urteils freigelassen. Zu ihnen zählte auch der deutsch-syrische Kaufmann Mamoun Darkazanli, der mit seiner Verfassungsbeschwerde das Verfahren ins Rollen gebracht hat.
Die spanische Justiz hatte Darkazanli vorgeworfen, er sei Teil der dortigen Al-Qaida-Zelle gewesen. Der Deutsch-Syrer bestreitet dies. Nach Zypries’ neuem Gesetz wird er die kurzfristig gestoppte Auslieferung nun nicht mehr vermeiden können. Denn die Tathandlungen, die ihm vorgeworfen werden, fanden auf spanischem Boden statt.
CHRISTIAN RATH
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