Neue DGB-Studie über Praktikanten: Generation Praktikum geht's mies
Laut einer DGB-Studie nutzen Unternehmen viele Akademiker nach dem Studium als volle Arbeitskräfte aus. Das hat sich auch in den letzten Jahren kaum verbessert.

Viel Arbeit, wenig Geld: Praktikant im Hans-Knöll-Institut in Jena. Bild: dpa
BERLIN taz | "Die Unternehmen in Deutschland beuten junge Absolventen als billige Arbeitskräfte aus", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock am Mittwoch bei der Vorstellung einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach varriiert der Anteil der AbsolventInnen, die nach dem Studium noch Praktika machen, je nach Fachrichtung deutlich. Bei den Gesellschaftswissenschaften sind es 43 Prozent, bei den Ingenieurwissenschaften hingegen nur fünf Prozent.
"Vier von fünf dieser Praktikanten leisten vollwertige Arbeit in den Betrieben, drei von vier geben an, dass sie fest in die Arbeitsabläufe eingeplant sind", so Sehrbrock weiter. Die Hälfte der Praktikanten hofft, so einen Fuß in das Unternehmen zu kriegen. Doch nur für jeden Fünften erfüllt sich dieser Wunsch. Die Übrigen haben für wenig Geld eine Vollzeitstelle ersetzt, aber zumindest eine Lücke im Lebenslauf geschlossen.
Problematisch ist immer noch die finanzielle Situation der Absolventen. Zwar stieg die Zahl der vergüteten Praktika seit den Protesten leicht an, von 55 Prozent im Jahr 2007 auf nun 60 Prozent. Das Durchschnittseinkommen ist in diesem Zeitraum aber gesunken, von 599 auf 551 Euro. Viele Menschen Ende Zwanzig können davon nicht leben und sind weiterhin auf Unterstützung durch Eltern, Partner oder Sozialleistungen angewiesen. Für die unbezahlten Praktikanten gilt das ohnehin. Im Jahr 2009 demonstrierten die betroffenen Absolventen gegen diese Bedingungen. Doch mit dem Regierungswechsel schienen sich ihre Hoffnungen auf eine gesetzliche Regelung, die sie besser stellt, in Luft aufgelöst zu haben.
Reguläre Stellen durch Praktikaten substituiert
Wird sich die Situation der Absolventen mit dem prognostizierten Fachkräftemangel verbessern? Der DGB ist skeptisch und verweist auf die Verstetigung des Einsatzes von Praktikanten. "Zusammen mit anderen Formen prekärer Beschäftigung bilde diese Entwicklung den Trend des modernen Arbeitsmarkts seit den neunziger Jahren ab", sagte Sehrbrock.
René Rudolf, Bundesjugendsekretär des DGB meint sogar, dass "reguläre Stellen zunehmend durch Praktikanten substituiert werden". Der DGB fordert daher eine gesetzliche Regelung, die verhindert, dass Absolventen zu schlechten Konditionen angestellt werden.
Besonders betroffen sind, das bestätigt auch die neue Studie, Akademiker aus den ökonomisch schlechter verwertbaren, aber beliebten Fächern - wie den Gesellschafts-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Bachelorabsolventen, die nach dem Studium praktisch arbeiten und die Zeit bis zum Masterstudiengang überbrücken wollen, sind hingegen noch nicht erfasst.
Praktika sollten aber nach Ansicht des DGB nach dem Studium nicht mehr stattfinden, sondern zumindest durch ausreichend bezahlte, Traineeships und Volontariate ersetzt werden.
Leser*innenkommentare
Jens Kamphaus
Gast
Gegen Praktika-Dumping gibt es Strategien, gerade für Leute mit abgeschlossenem Studium.
Einfach klare Dinge aushandeln und sich über die Konkurrenz stellen. Anspruchsvoll sein, nicht locker lassen. Klar machen und anhand von Referenzen beweisen, dass man härter, besser und verbindlicher arbeitet als die Konkurrenz.
Ausdauer haben. Masochismus lieben. Wer seinen Job leidenschaftlich liebt, beschwert sich auch nicht über einen Neun-Stunden-Tag. Wer das dauerhaft allerdings kostenlos macht, zeigt keinen Respekt sich selbst gegenüber und ist daher für anspruchsvolle Arbeiten augenscheinlich ungeeignet.
derwaechter
Gast
"Besonders betroffen sind, das bestätigt auch die neue Studie, Akademiker aus den ökonomisch schlechter verwertbaren, aber beliebten Fächern - wie den Gesellschafts-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften."
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sind ökonomisch schlechter verwertbar? Wie kommen Sie denn darauf?
Juergen K
Gast
Der DGB denkt zu kurzfristig.
Jeder Ingenieur sollte nacvh seinem Studium wenigstens Ein Jahr Praktikum machen dürfen, bevor er nach Hartz4 abrutscht.
huev
Gast
Nur nebenbei: Die Hans-Böckler-Stiftung ist DGB-nah, nicht grünennah. Das wäre die Heinrich-Böll-Stiftung.
Janek
Gast
Hier hat wohl jemand die beiden HBS verwechselt. Grünnah ist die Heinrich-Böll-Stiftung. Gewerkschaftsnah Hans-Böckler-Stiftung.