Ein Hochhaus als Hassobjekt

PROTEST Im März will ein Investor mit dem Bau des „Living Bauhaus“ beginnen, ein Stück East Side Gallery soll weichen. Clubszene und Mediaspreegegner machen dagegen mobil

„Das Living Bauhaus ist das meistgehasste Projekt im Bezirk“

FRANZ SCHULZ, GRÜNE

VON UWE RADA

Sascha Disselkamp kann es immer noch nicht fassen. „Dieser Investor will die East Side Gallery einreißen, um dahinter Luxuswohnungen zu verkaufen.“ Vor einigen Wochen – bei der Sitzung des Forums Stadtspree – hat Disselkamp vom Hochhausprojekt „Living Bauhaus“ des Vogtländer Investors Maik Uwe Hinkel erfahren. Danach griff er zum Handy und telefonierte ein Protestbündnis zusammen. „Das ist das erste Mal, dass sich Clubszene und Mediaspreegegner in dieser Form gegen ein einzelnes Projekt wenden“, freut sich Disselkamp.

Am Dienstag will Disselkamp, Chef des Sage-Club in Mitte und Mitbegründer der Club-Kommission, die Öffentlichkeit an der East Side Gallery auf das Vorhaben aufmerksam machen. Mit dabei sind auch Watergate, Tresor, Kater Holzig, Lido, Kulturhaus Astra, Berlin Music Days sowie der Bürgerverein Luisenstadt, die Eisenbahnmarkthalle, die Eisfabrik und die Initiativen „Mediaspree versenken“ und Megaspree. „Dabei geht es auch darum, weitere Schritte zu beraten“, kündigt Disselkamp an.

Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz weiß schon länger von dem Projekt nahe der Brommystraße. „Wir versuchen das seit Jahren zu verhindern“, sagt der Grünen-Politiker. „Das Living Bauhaus ist das meistgehasste Projekt im Bezirk – und es hat das Zeug, in Zukunft auch zu einem Hassobjekt für die Bewohner zu werden.“

Doch Schulz ist mit seinem Widerstand vorerst gescheitert. Die Baugenehmigung für das 63 Meter hohe Haus, das einmal unter dem Namen „East-Side-Tower“ firmierte, stammt wie die anderen geplanten Hochhäuser am Friedrichshainer Spreeufer aus dem Jahr 1992. Im Rahmen eines Wettbewerbs für die künftige Gestaltung des Ostbahnhofs und seiner Umgebung wurden die Hochhäuser geplant. „Nach dem Bürgerentscheid gegen Mediaspree haben wir begonnen, die Grundstücke aufzukaufen und einen Park anzulegen“, sagt Schulz.

Einzig der Besitzer Stofanel, von dem Hinkel das Grundstück vergangenes Jahr kaufte, sowie ein israelischer Investor auf dem Nachbargrundstück hätten sich geweigert, zu verkaufen. „Auf dem Nachbargrundstück soll ein achtzig Meter langer Riegel entstehen“, gruselt sich Schulz schon heute. Auch eine Intervention beim Finanzsenator war nicht erfolgreich. Würde der Bezirk den Bau verhindern, müsste er eine millionenschwere Entschädigung übernehmen.

Allerdings wird die Zeit knapp für Maik Uwe Hinkel. Seit Ende vergangenen Jahres läuft die Vermarktung. Eine 89 Quadratmeter große Wohnung mit einer Terrasse von 26 Quadratmetern kostet demnach 910.260 Euro – das ist ein Quadratmeterpreis von über 9.000 Euro. „Dagegen sind selbst Marthas Höfe ein Schnäppchen“, spottete ein Teilnehmer des runden Tischs zur Liegenschaftspolitik, der am Freitag stattfand.

Die Baugenehmigung, auf die sich Hinkel stützen kann, läuft im März aus. Wenn bis dahin nicht mit dem Bau begonnen wird, verfällt sie. Auch deshalb will die Clubszene nun mobil machen. „Wir schließen auch Platzbesetzungen nicht aus“, kündigt Sage-Club-Macher Sascha Disselkampf an – und wird etwas melancholisch. „Was war das für ein schöner Ort, als es hier noch den Oststrand gab.“

www.change.org/de/Petitionen/east-side-gallery-retten-keine-luxuswohnbebauung-auf-dem-ehemaligen-todesstreifen