die wahrheit: Heimtückische Hahnenhasser

Der Brite hat ein gespaltenes Verhältnis zu Tieren. Einerseits gibt er vor, sie zu lieben, andererseits hält er meist irgendwelche Seuchen für sie bereit.

Der Brite hat ein gespaltenes Verhältnis zu Tieren. Einerseits gibt er vor, sie zu lieben, andererseits hält er meist irgendwelche Seuchen für sie bereit - Rinderwahn, Bienensterben, Maul- und Klauenseuche sowie Frösche, denen die Beine ausfallen wie alten Frauen die Haare. Und manchmal legt der Brite auch selbst Hand an, wenn gerade keine passende Seuche zur Hand ist.

Jetzt geht es dem Federvieh an den Kragen. Hühner sind in Großbritannien schwer im Kommen. Früher fand man sie in den meisten Gärten, dann war es lange Zeit still um sie. Doch jetzt feiern sie ein Comeback, was offenbar nicht allen passt. In Bishop Monkton, einem Dorf mit 500 Einwohnern in Yorkshire, bekamen die Besitzer von Hähnen in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig anonyme Briefe, in denen der Schreiber über das morgendliche Krähen schimpfte. Die Hahnenhalter ignorierten die Briefe. Nun bekamen sie die Quittung.

Vor drei Wochen wurden Claude, Kevin und Lakritze entführt. Der Täter hatte nachts zugeschlagen und sich die Hähne aus drei verschiedenen Gärten geholt. Claude fand man später in einem fünf Kilometer entfernten Waldstück, doch die Freude des Besitzers währte nicht lange. Am vorvergangenen Wochenende kehrte der Hahnenhasser zurück und schlitzte Claude die Kehle auf. Die Polizei fahndet nach dem Täter. Sie hat bisher nur ein einziges Indiz: Er muss Langschläfer sein.

Die Dorfbewohner haben aus Solidarität eine vier Meter hohe Hecke so beschnitten, dass sie wie ein riesiger Hahn aussieht - als Mahnmal? Oder als Abschreckung, falls der Killer eines nachts zurückkommt und in der Dunkelheit annimmt, er habe es mit Claudes großem Bruder zu tun? "Das ist das Letzte, das man in unserem friedlichen Dorf erwarten würde", sagt Kevins Besitzer Peter Taplin, der keine Hoffnung mehr hat, das Tier lebend wiederzusehen. Ihm bleibt nur ein Trost: Kevin hat einen Erben hinterlassen. "Ein Küken, das zwei Wochen nach seiner Entführung geboren wurde, ist sein Sohn", sagt Taplin. "So lebt er in ihm weiter."

Nördlich der Grenze, im schottischen Inverbervie, hält sich die Solidarität mit dem Federvieh in Grenzen. Das ganze Dorf stand kurz davor, den Verstand zu verlieren, weil Rooster und Gobi ständig aus vollem Halse krähten. Schließlich verhängte der Stadtrat eine Asbo. Das ist eine "anti-social behaviour order", eine Anordnung wegen antisozialem Verhalten. Gegen Hähne wurde sie bis dahin noch nie verhängt.

Alex Panayotti, der Besitzer von Rooster und Gobi, zog dagegen vor Gericht. Er argumentierte, dass er die Hähne angeschafft habe, weil seine 13-jährige Tochter Stella unter chronischer Müdigkeit leide. Eine interessante Therapie. Vielleicht hätte es auch ein Wecker getan? Der Richter sah es ähnlich. Panayotti, der bereits 3.000 Pfund für einen Kakophonie-Sachverständigen ausgegeben hatte, muss die Gerichtskosten zahlen und beide Hähne im Hühnerparadies abgeben. Das ist nicht der Wienerwald, sondern ein Kleintierpark in Comrie. Mehr kann man sich als Gockel nicht erhoffen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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