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Archiv-Artikel

Geheimdienstaffäre im Großherzogtum

LUXEMBURG Eine jahrzehntelange Überwachung der Gesellschaft ist Gegenstand eines Untersuchungs-ausschusses. Eine ungeklärte Attentatsserie aus den 80er Jahren wird jetzt vor Gericht verhandelt

Die Attentatsserie

■ Am 25. Februar beginnt in Luxemburg ein Prozess, den viele nicht für möglich gehalten hätten: Angeklagt sind zwei ehemalige Mitglieder der „Brigade mobile“, ein Elite-Korps der 1995 aufgelösten Gendarmerie. Ihnen wird vorgeworfen, hinter einer Attentatsserie zu stecken, die das Land Mitte der 1980er Jahre erschütterte. Alles fing mit einem Sprengstoffdiebstahl in einer Mine im Norden des Landes an, später gingen in kurzen Abständen Strommasten, Radaranlagen und die Redaktionsräume des Kirchenblattes Luxemburger Wort in die Luft. (lc)

AUS LUXEMBURG LUC CAREGARI

Wenn im Mai 2014 in Luxemburg Parlamentswahlen sind, wird dabei auch eine Generation junger Luxemburger ihre Zettel in die Urnen werfen, die seit ihrer Geburt nur einen Premierminister kennt: Jean-Claude Juncker, der vor Kurzem sein 30-jähriges Regierungsjubiläum feierte, davon 18 als Premierminister. Aber nicht nur Jubiläumsfeierlichkeiten bringen den 58-Jährigen konservativen Politiker in die Schlagzeilen, sondern auch ein Geheimdienstskandal, den sogar Juncker selbst als „Affäre“ ansieht. Das „Srel-Gate“, benannt nach der Abkürzung des Geheimdienstes Service de renseignement de l’État du Luxembourg, war geboren.

Es begann am 19. November 2012. Der Radiosender RTL Luxemburg meldete an diesem Tag erstmals, dass ein Gespräch zwischen Premierminister Jean-Claude Juncker und seinem ehemaligen Geheimdienstchef Marco Mille – der seit 2010 Sicherheitschef bei Siemens ist – ohne das Wissen Junckers mithilfe einer präparierten Uhr aufgezeichnet wurde. Eine Kopie dieser Aufzeichnung, die im Januar 2007 erfolgte, wurde der Wochenzeitung Lëtzebuerger Land zugespielt, die den Inhalt prompt veröffentlichte.

Dieser hatte es in sich: Der Geheimdienstchef informiert demnach seinen obersten Verantwortlichen darüber, dass sich im Geheimdienstarchiv über 300.000 Karteikarten aus Zeiten der politischen Observation befänden, die bis in die 1990er Jahre andauerte. Ferner wird Juncker darüber informiert, dass der Großherzog seinem Dienst in solchem Maße misstraue, dass er Beziehungen zum britischen MI6 geknüpft hätte und dass eine verschlüsselte CD im Umlauf wäre, auf der ein ebenfalls illegal aufgezeichnetes Gespräch zwischen Jean-Claude Juncker und dem Großherzog zu hören sei, in dem es um brisante Zusammenhänge zwischen dem Staatschef, seiner Familie und der „Bombenlegeraffäre“ gehe – die ab 25. Februar vor Gericht verhandelt werden wird (siehe Kasten). Das prompte Dementi des großherzoglichen Hofes und auch eine eilig einberufene Pressekonferenz Junckers – auf der er den Satz prägte „Der Geheimdienst ist geheim“ – führten in der Sache nicht zur Beruhigung. Am 4. Dezember 2012 setzte das Parlament einstimmig einen Untersuchungsausschuss ein – in Luxemburg eine äußerst seltene Angelegenheit.

Ehe er überhaupt tagen konnte, wurde aber die Arbeit des Ausschusses von der Justiz maßgeblich beschnitten: Die „Bombenlegeraffäre“ und die geheimnisvolle CD wurden als Gegenstände aktueller polizeilicher Ermittlungen klassifiziert und waren damit tabu. Damit war auch der Großherzog aus der Schusslinie.

Wer sich spektakuläre Enthüllungen erwartet hatte, wurde von den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses jedoch enttäuscht: Patrick Heck, aktueller Srel-Chef, gab sich zwar offen, konnte aber nicht zur Aufklärung beitragen. Seine Vorgänger Marco Mille und Charles Hoffmann entpuppten sich als ziemlich wortkarg gegenüber dem Vorwurf der jahrzehntelang betriebenen innenpolitischen Spionage. Hoffmann, der längst in Rente ist, und dessen Gedächtnis immer dann aussetzte, wenn es interessant wurde, gab aber zu, dass sogar christliche Gegner des erzkonservativen Luxemburger Worts observiert wurden. Auch ein Dossier über das linkskatholische Magazin forum kam zutage. Ansonsten bemühten sich die Herren, alles kleinzureden. Von den 300.000 Karteikarten waren auf einmal auch nur ein paar tausend übrig. Sowohl Juncker als auch sein Vorgänger Jacques Santer mussten vor dem Ausschuss aussagen, ohne Erhellendes preiszugeben.

Alles in allem wirft die Geheimdienstaffäre im Großherzogtum Luxemburg bislang viel mehr Fragen als Antworten auf. Dabei wurde das Herzstück des Srel-Gates – die „Bombenlegeraffäre“ – auf Druck der Justiz bislang nicht im Untersuchungsausschuss berührt. Dies könnte sich mit dem Beginn des Prozesses ändern. Bis jetzt ist nur sicher, dass Luxemburg noch lange nicht am Ende der Überraschungen angekommen ist.