Debatte arabischer Frühling: Keine Zukunft für Diktatoren

Der Libyenkrieg kann noch lange dauern - am Ende wird Gaddafi sich verantworten müssen. Nun muss in Syrien der Druck auf Assad wachsen.

Der internationale Haftbefehl gegen Diktator Gaddafi kam gerade noch rechtzeitig. Er wird den libyschen Oppositionellen Aufwind geben, durch gezielte Angriffe das libysche Regime weiter zu schwächen. Bedeutet dies nun, dass alles in kurzer Zeit beendet sein wird? Eher nicht.

Trotzdem sind die letzten Ereignisse ermutigend: Die Nato ist - nun auch mit Hubschraubern und höherem Risiko für ihre Soldaten - gewillt, die Intensität ihrer Luftangriffe zu verstärken, sie bereitet sich auf eine längere Intervention vor, und die Staatengemeinschaft ist sich in ihrem Ziel, dass am Ende der Intervention auch das Ende des Gaddafi-Regimes stehen muss, einig. Dafür sind einige Monate ein annehmbarer Zeitraum.

Zynikern, die behaupten, der Haftbefehl aus Den Haag verhindere nur ein zügiges Exil für Gaddafi, soll erwidert werden, dass der Internationale Strafgerichtshof genau dies zur Aufgabe hat: zu verhindern, dass Diktatoren sich irgendwo auf der Welt nett einrichten können und ihrer gerechten Strafe entgehen. Damit sendet er auch ein klares Signal an den syrischen Diktator Assad und insgesamt an alle Unrechtsregime. Institutionen wie die in Den Haag brauchen Zeit - viel zu oft zu viel Zeit -, um aktiv zu werden; aber der lange Atem lohnt sich.

wurde in Teheran geboren, wuchs in Deutschland auf und lebt derzeit in Genf. Sie studierte Theaterwissenschaft, Amerikanistik und Soziologie. Als freie Autorin schreibt sie vor allem über den Iran und die USA.

Neunmalkluger Westerwelle

Nachdem die Nato das Kommando übernahm und die Angriffe nachließen, sah es für eine Weile so aus, als könnte Gaddafi darauf setzen, die internationale Staatenwelt wäre gleichzeitig in ihren Zielen gespalten und einig darin, keine Bodentruppen entsenden zu wollen. Es muss hier nicht noch einmal im Detail dargelegt werden, welch fatale Rolle Westerwelles Enthaltung im UN-Sicherheitsrat in Gaddafis perfider Kalkulation gespielt hat.

Betont werden muss nur noch, dass sie letztendlich keinen Einfluss auf reale Prozesse hatte. Denn der neunmalkluge Spruch von Westerwelle, in Libyen müsse eine politische Lösung gefunden werden, war etwas, was alle an der Intervention Beteiligten längst auf dem Schirm hatten, ohne dabei zu vergessen, dass man einen Diktator nicht durch freundliches Zureden von weiteren Verbrechen abhalten kann; und dass daher militärisches Handeln unvermeidbar war und ist.

Nur so kann der libyschen Zivilgesellschaft ein sicherer Raum geschaffen werden, um die politische Konfliktlösung zu organisieren: Freie Wahlen, eine demokratische Verfassung und eine hoffentlich bessere Zukunft ihres Landes. Gaddafis Machtapparat hat diese Sehnsucht nach Freiheit, mit der gerade in Deutschland oft herablassend umgegangen wird, nie ganz zerstören können. Die Libyer haben der Welt eindrucksvoll gezeigt, dass sie sowohl für Unterstützung werben als auch in einer Transformationsphase das Schicksal ihrer Gesellschaft selbst in die Hand nehmen können.

Nato nach Syrien?

Mal angenommen, es gelänge der Nato schon in den nächsten Wochen, die Mission in Libyen erfolgreich zu beenden - bedeutete dies, dass dann Kapazitäten für Syrien frei würden? Jedenfalls muss über die Möglichkeiten, militärischen Druck auf Baschar Assad auszuüben, schon jetzt intensiv nachgedacht werden. Die syrische Opposition fordert dies erst für den Fall, dass Sanktionen scheitern. Assad - so viel kann heute jeder wissen - ist zum erbarmungslosen Kampf gegen die Syrer bereit.

Sanktionen müssen so stark sein, dass klar wird: Ein Syrien mit Assad darf es nicht mehr geben. In einem von Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Portugal dem UN-Sicherheitsrat vorgelegten Papier soll nun die Tötung und Folter friedlicher Demonstranten durch Truppen Assads verurteilt sowie ein sofortiges Ende der Gewalt gefordert werden. Außerdem soll das Regime aufgefordert werden, umgehend Schritte einzuleiten, um echte politische Teilhabe zu erlauben. Und schließlich will auch der G-8-Gipfel im französischen Deauville die Gewaltanwendung in Syrien verurteilen.

Das ist ein neuer Ton. Noch am 4. Februar diesen Jahres sagte Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) anlässlich eines Besuchs in Damaskus: "Ich messe dem autokratischen System in Syrien eine vergleichsweise hohe Stabilität bei. Das kann man mit Ägypten und Tunesien nicht ganz vergleichen. […] Syrien hat im Nahen Osten eine politische und wirtschaftliche Schlüsselfunktion." Bei seinem "Kurzbesuch" habe es "kaum eine Möglichkeit" gegeben, Menschenrechtsfragen anzusprechen.

In den vergangenen Jahren hatte sich aber nicht nur Europa sehr Assad-freundlich gezeigt. Auch mehrere hochrangige US-Politiker - allen voran der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Senator John Kerry - machten sich für eine Einbindung des syrischen Regimes stark. Um den gesamten Globus ging der Mythos, Assad sei ein leidenschaftlicher Reformer und ein kalkulierbarer Partner für den Westen. Dieser Mythos hat sich endgültig erledigt - zu einem hohen Preis: Assad hat das Blut unschuldiger Syrer vergossen und durch eine eklatante Provokation an der Grenze zu Israel gezeigt, dass er lieber einen neuen Krieg riskiert als sein Land aus dem Würgegriff der Diktatur zu entlassen.

Der Opposition wirklich helfen

Nun endlich hat sich die EU zu etwas stärkeren Sanktionen durchgerungen. Doch obwohl auch die USA ihre Sanktionsmaßnahmen verstärkt haben, hat sich Präsident Obama in seiner Nahostrede vergangene Woche nicht eindeutig dazu bekannt, dass der Folterer Assad nicht mehr Teil der syrischen Zukunft sein kann. Der Umgang der internationalen Gemeinschaft mit der syrischen Protestbewegung könnte nicht enttäuschender sein. Es ist zu hoffen und gleichzeitig zu fordern, dass sich insbesondere Europa an die eigenen Werte erinnert und entschiedener handelt, bevor es zu spät ist.

Was nach Assad kommen soll, diese Frage müssen die Syrer selbst beantworten. Der Opposition in Damaskus vorwiegend mit Zweifeln und Ängsten zu begegnen - wie schon mit den libyschen Freiheitskämpfern geschehen -, und damit weiterhin eine verantwortungsfreie Zuschauerposition gegenüber dem Leid der syrischen Gesellschaft einzunehmen, wäre armselig. Und kurzsichtig: Denn die Tage von Baschar Assad sind gezählt. Genauso wie auch Gaddafi fast schon Geschichte ist.

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