Unruhen in Syrien: Assad kündigt Amnestie an

Alle Oppositionellen sollen begnadigt werden, kündigte der syrische Präsident an. Allerdings werden einige der inhaftierten Demonstranten als "Terroristen" bezeichnet.

"Wir lieben dich" steht auf dem Shirt mit Syriens Präsident Assad. Bild: dapd

DAMASKUS dpa/afp/rtr | Nach Wochen blutiger Proteste gegen das Regime in Syrien hat Präsident Baschar al-Assad am Dienstag eine Amnestie für Oppositionelle verkündet. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Amnestie umfasse alle Angehörigen "politischer Gruppen", die vor diesem Tag Verbrechen begangen hätten. Außerdem sollen alle Mitglieder der bislang verbotenen Muslimbruderschaft begnadigt werden. Andere politische Gefangene und auch normale Straftäter können eine Reduzierung des Strafmaßes erwarten.

Das Dekret ist so formuliert, dass es viele Hintertüren offen lässt. Beobachter werteten die Ankündigung dennoch als erstes Zeichen dafür, dass Assad die seit Wochen andauernden Proteste der Regimegegner nicht nur mit Gewalt beenden will, sondern auch mit politischen Konzessionen.

Allerdings wird vermutet, dass die Amnestie nicht alle Demonstranten einschließt, die seit Mitte März festgenommen wurden. Sie werden im offiziellen syrischen Sprachgebrauch nicht als Angehörige politischer Gruppierungen, sondern als Mitglieder "terroristischer Banden" bezeichnet.

Auf Webseiten der Regimegegner war deshalb zunächst keine Freude über die Amnestie-Entscheidung zu bemerken. Einige von ihnen riefen zu neuen Protesten auf unter dem Motto: "Das Volk will den Sturz des Regimes".

Hinweise auf Folter und Massaker

In der syrischen Stadt Daraa sind nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" (HRW) Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der Organisation heißt es, es gebe Hinweise auf "systematische Massaker und Folterakte durch syrische Sicherheitskräfte in Daraa seit Beginn der Demonstrationen am 18. März". Dem Bericht liegen mehr als 50 Interviews mit Opfern und Zeugen zugrunde.

Die Zeugen berichteten laut HRW von systematischen Tötungen, Schlägen, Folter mit Elektroschock-Geräten sowie Festhalten von Personen, die medizinischer Versorgung bedurften. "Seit mehr als zwei Monaten töten und foltern die syrischen Behörden ihr eigenes Volk", sagte Sarah Leah Whitson, HRW-Beauftragte für den Nahen Osten. "Wenn das nicht aufhört, muss der UNO-Sicherheitsrat dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden."

Clinton kritisiert das Regime scharf

Nach Berichten über die mutmaßliche staatliche Folter eines Kindes in Syrien hat US-Außenministerin Hillary Clinton die Regierung in Damaskus ungewöhnlich scharf kritisiert. Der Wille, den reformwilligen Demonstranten zuzuhören, sei den Behörden völlig abhandengekommen, sagte Clinton am Dienstagabend in Washington. "Ich kann nur hoffen, dass dieses Kind nicht vergeblich gestorben ist und dass die Regierung die Brutalität stoppt und den Übergang zu einer echten Demokratie einleitet."

Die New York Times hatte am Montag berichtet, ein Internetvideo zeige, wie ein bei Protesten festgenommener 13-jähriger Junge gefoltert, verstümmelt und getötet werde. Ein Regierungssprecher nannte den Bericht schockierend. Clinton sagte, die Position der syrischen Regierung lasse sich mit jedem ablaufenden Tag schwerer halten. Auf der anderen Seite würden die Forderungen der Demonstranten für einen Wandel stärker.

Artillerie gegen Zivilbevölkerung

Laut Sana wurden am Dienstag in der Ortschaft Al-Rastan zahlreiche Mitglieder von "Terrorgruppen" getötet. Auch zwei Soldaten seien in Al-Rastan ums Leben gekommen. Vier Soldaten wurden den Angaben zufolge verletzt. Regimegegner meldeten dagegen, die Armee habe die Zivilbevölkerung mit Artillerie angegriffen.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen starben seit Beginn der Proteste in Syrien schon mehr als 1100 Menschen. Die Demonstranten hatten zu Beginn lediglich demokratische Reformen gefordert. Nachdem die Armee damit begonnen hatte, auf die Demonstranten zu schießen, wurde jedoch schnell der Ruf nach einem Sturz des Regimes laut.

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