DIE WAHRHEIT : Scrabble ohne Gummilatschen

Neues aus Neuseeland: Jedes Land hat seine Kulturgüter, die es gegen kommerziellen Zugriff und Globalisierung verteidigt. Nach all den Jahren meines Einsatzes auf internationaler Ebene ...

... fordere ich meine Leser nun auf: Liebe Gummilatschen-Träger aller Länder, zeigt euch solidarisch! Sprecht nie wieder von "Flip-Flops" und schon gar nicht von einer Marke, die wie die Hauptstadt Kubas klingt, wenn ihr tief untenrum wie eine Kreuzung aus kalifornischem Surfer und thailändischer Reisbäuerin aussehen wollt. Tauft euer leichtes Schuhwerk, mit dem ihr über die Strände der Algarve, die Spielplätze eurer Waldorfkinder, die Öko-Märkte und Sauna-Flure schlurft, doch bitte um. Nennt die Billigsandale mit dem Hauch von Schweißfreiheit und Abenteuer ab jetzt nur noch "Jandal".

Seht es als die Rettung einer aussterbenden Spezies, so wie das Ost-Ampelmännchen. Oder die Wale. Da habt ihr auch nicht geschwiegen und weggeschaut. Daher noch mal, zum Üben: Jandal! Euer Aufschrei hilft einer kleinen Nation, die viel zu oft von Supermächten an den Rand des Geschehens gedrängt wird. Aber reden wir hier nicht über Australien. Reden wir über Gesellschaftsspiele.

Tausende Jandalisten protestieren seit Freitag. Denn da erschien die neueste Ausgabe von "Scrabble Official Words", die 270.000 Wörter lange Liste jener Begriffe, die im englischen Scrabble-Spiel zulässig sind. 2.810 neue Wörter kamen hinzu, so wie "wiki" und "blog", "tik" und "gak" - Letztere stammen aus dem Drogenslang - sowie "keema" und "aloo" aus der indischen Küche. Aber ein Wort flog raus: das unschuldige kiwianische "jandal".

Vier Millionen Neuseeländer fühlen sich fortan beraubt, wenn sie auf ihre nackten Zehen mit Gummisteg dazwischen schauen. Kiwis nennen seit der Erfindung des Kautschuks ihre Flip-Flops nun mal "jandals" - offizielles Englisch hin oder her. Es ist regionale Mundart, so wie der Österreicher statt Quark "Topfen" sagt oder der Schweizer statt Fahrrad "Velo", von anderen Ausdrücken ganz zu schweigen. Aotearoa hat schon genug geblutet, als die Maori-Kultur zerstört und die indigene Sprache unterdrückt wurde. Nie wieder!

Wie, fragt ihr und greift schon zur Sprühdose, um eure Protestslogans an Wände zu sprayen, ist solch krasses Unrecht möglich? Weil ein britischer Lektor die Scrabble-Liste redigiert hat und behauptet, "jandal" sei ein Eigenname, eine Marke. Bullshit! Der Mann hat nicht nur keine Ahnung, er tritt neuseeländisches Kulturgut mit Füßen. Hört auf Howard Warner, den führenden Scrabble-Spieler meines Landes: "Wenn eine samoanische Mutter droht, ,du kriegst es gleich mit dem jandal', dann weiß jedes Kind, dass es sich dabei um Schuhwerk handelt, mit dem man gut zuschlagen kann."

Ein passendes Beispiel, denn auch ihr Recht auf Prügel am eigenen Kind haben die Kiwis vor wenigen Jahren verbittert verteidigt. In 18 Monaten erscheint die nächste Scrabble-Liste. Zeit genug, das Ruder für uns Jandalenträger noch mal rumzureißen. Marschiert, bloggt, protestiert. Schweigt nicht. Jeder Buchstabe zählt.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.