Komiker schlägt Regierungschef

ITALIEN Europakritischer Newcomer Grillo holt weitaus mehr Stimmen als Monti. Wer regiert, ist zunächst offen

Die Unzufriedenheit mit Italiens Position in der Eurokrise half Grillo und Berlusconi

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Italien geht womöglich Zeiten politischer Instabilität entgegen. Nach den ersten Hochrechnungen am Montagnachmittag zeichnete sich die Möglichkeit eines Parlaments ohne klare Mehrheiten ab. Nur zwei Resultate waren ziemlich eindeutig: Der scheidende Ministerpräsident Mario Monti ist eindeutiger Wahlverlierer, und der Komiker Beppe Grillo kann mit seiner Protestbewegung „Movimento 5 Stelle (M5S – „Fünf-Sterne-Bewegung“) einen Triumph feiern.

In den ersten Exit polls lag die Mitte-links-Allianz unter dem Spitzenkandidaten Pierluigi Bersani mit 35 bis 37 Prozent klar vorn. Der Abstand zum Rechtsblock Silvio Berlusconis betrug damit 6 bis 8 Prozent der Stimmen. Die zum ersten Mal bei nationalen Wahlen angetretene „5-Sterne-Bewegung“ Grillos erreichte aus dem Stand etwa 20, womöglich gar 25 Prozent der Stimmen. Montis Allianz Scelta civica („Bürgerliche Entscheidung“) dagegen musste sich mit 8 bis 10 Prozent zufriedengeben.

Pierluigi Bersani, Chef der Partito Democratico (PD), hat damit zwar gute Chancen, das Abgeordnetenhaus zu erobern. Dort reserviert das italienische Wahlrecht der vorne liegenden Allianz automatisch mit 340 von 630 Sitzen die absolute Mehrheit. Dagegen war die Situation im Senat, der zweiten und völlig gleichberechtigten Kammer des italienischen Parlaments, vorerst völlig offen. Denn im Senat wird der Mehrheitsbonus nicht national, sondern Region für Region vergeben. Wie erwartet zeichnete sich in Italiens bevölkerungsstärkster Region, der Lombardei, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Bersanis Mitte-links-Lager und der Rechten ab. Erste Hochrechnungen sahen im Senat sogar insgesamt die Berlusconi-Rechte vorn. In diesem Falle droht Italien ein Patt zwischen Kammer und Senat; Berlusconi hätte damit die Möglichkeit, bei jeder Regierungsbildung ein Veto einzulegen und so womöglich die Bildung einer großen Koalition zu erzwingen.

Spektakulär, wenn auch am Ende des Wahlkampfs nicht mehr unerwartet war der Triumph des 65-jährigen Komikers Beppe Grillo und seiner 5-Sterne-Bewegung. Sein Protest gegen die „Kaste“ der Altpolitiker ebenso wie sein Versprechen, in der Eurokrise bis hin zu einem Austritt aus dem Euro entgegenzusteuern, bescherten ihm einen massiven Zufluss von der Linken, aber auch von enttäuschten Rechts- und Nichtwählern. Mit voraussichtlich mehr als 100 Abgeordneten und Senatoren dürfte M5S zur energischsten Oppositionskraft im neuen Parlament werden.

Wie auch immer die Sitzverteilung in den beiden Häusern des Parlaments am Ende ausfallen wird, ein Resultat der Wahl steht schon fest: Etwa die Hälfte der Wähler hat eindeutig europaskeptisch votiert. Die tief sitzende Unzufriedenheit mit den Folgen der Austeritätspolitik und mit Italiens Positionierung in der Eurokrise begünstigte sowohl Grillo als auch Berlusconi, der seinen Wahlkampf ganz in das Zeichen heftiger Polemik gegen „la Merkel“ gestellt hatte. Die Kräfte dagegen, die sich als Stabilitätsanker für Europa präsentierten – vorneweg Bersani, in zweiter Linie Monti –, blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Auf die drohende Instabilität reagierte die Mailänder Börse umgehend: Waren die Kurse nach den vorschnellen Siegesmeldungen für Bersani nach oben geschnellt, so stürzten sie mit dem Einlaufen der ersten Hochrechnungen pro Berlusconi genauso schnell wieder ab.