NS-Kriegsverbrechen: Neue Ermittlungen gegen Demjanjuk

Die Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe wegen des Einsatzes als Wächter im KZ Flossenbürg. Der Gedenkstättenleiter verspricht sich einen Pilotprozess für andere EX-Wächter.

Wird jetzt aufgearbeitet: die Zeit Demjanjuks im KZ Flossenbürg. Bild: dpa

BERLIN taz | Gegen den früheren Wächter im NS-Vernichtungslager Sobibor John Demjanjuk (91) läuft ein neues Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Weiden prüft Vorwürfe gegen Demjanjuk und einen weiteren Wachmann im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im KZ Flossenbürg. "Es gibt einen Anfangsverdacht aufgrund einer Anzeige", sagte Weidens Oberstaatsanwalt Gerhard Heindl.

Die Anzeige wurde von Beteiligten am Münchner Prozess gegen Demjanjuk gestellt, wo der gebürtige Ukrainer im Mai dieses Jahres wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Wegen einer anhängigen Revision wurde Demjanjuk danach auf freien Fuß gesetzt. Er lebt in einem Pflegeheim im im oberbayerischen Bad Feilnbach.

Der eine Anzeigensteller ist Thomas Walther, ein früherer Ermittler der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen. Er hatte die Vorermittlungen zu Demjanjuk vorangetrieben. Der andere ist Strafrechtsprofessor Cornelis Nestler, der im Prozess mehrere Nebenkläger vertreten hatte.

Die Anzeige richtet sich neben Demjanjuk gegen den 94-jährigen Alex N., der in München als Zeuge aufgetreten war. Ermittlungen gegen N. hat die Münchner Staatsanwaltschaft eingestellt, weil sich kein konkreter Tatnachweis fand. Demjanjuk und N. waren laut Dokumenten 1943/44 als Wachmänner im KZ Flossenbürg eingesetzt. In dieser Zeit wurden dort fast 5.000 Häftlinge umgebracht.

Morde durch den Wachdienst

Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skriebeleit, sprach gegenüber der taz von "einer Art Pilotprozess". Ihm könnten weitere Verfahren gehen Ex-KZ-Wächter folgen, die bisher unbehelligt geblieben sind. "Die Morde wurden damals von allen Männern begangen, die Wachdienst hatten", sagte er.

Im Münchner Prozess hatte die Staatsanwaltschaft erfolgreich damit argumentiert, dass sämtliche Wachmänner in Sobibor an der Ermordung von Juden beteiligt waren und daher kein einzelner Tatnachweis benötigt werde. Sobibor war ein reines Mordlager, in dem die Menschen bereits kurz nach ihrer Einlieferung nahezu ausnahmslos durch Giftgas getötet wurden.

Anders verhält es sich mit dem KZ Flossenbürg, wo viele Gefangene durch Zwangsarbeit etwa in einem Steinbruch ausgebeutet wurden. Allerdings, so Skriebeleit, kamen auch dort ein Drittel aller Gefangenen, insgesamt 30.000 Menschen, ums Leben, viele von ihnen durch Exekutionen.

Käme es zu einem Prozess, würde die bundesdeutsche Justiz juristischen Neuland betreten. Bisher war es für eine Verurteilung von KZ-Wächtern notwendig, konkret die Beihilfe zum Mord oder einen Mord nachzuweisen. Alle anderen Taten sind längst verjährt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.