: Chance für Papa
Beim einkommensabhängigen Elterngeld geht es weder um Demografie noch um Verteilungsgerechtigkeit, sondern darum, engagierte Vätern zu ermutigen
Wer hätte das gedacht? Eine CDU-Familienministerin kündigt an, eine alte gleichstellungspolitische Forderung zu erfüllen. Ursula von der Leyen will 2007 ein einjähriges Elterngeld auf der Basis von 67 Prozent des letztes Nettogehaltes einführen. Damit will sie eine Idee umsetzen, die ihre SPD-Vorgängerin Renate Schmidt zwar im Wahlkampf propagiert, unter Rot-Grün aber nicht realisiert hatte.
Macht ausgerechnet die große Koalition Schluss mit dem Erziehungsgeld? Der vor 20 Jahren eingeführte Zuschuss wirkte faktisch als Muttiprämie für Geringverdienerinnen, für die 300 Euro monatlich ein willkommenes Zubrot waren. Qualifizierte Frauen, erst recht die Männer konnte man so nicht gewinnen.
Seit Jahren werden auf familienpolitischen Tagungen die skandinavischen Modelle der Auszeiten für Väter diskutiert. Die schwedischen „Papamonate“ zum Beispiel werden von einer intensiven gesellschaftlichen Kampagne begleitet, die ein neues geschlechterpolitisches Leitbild vertritt. An einer egalitären Arbeitsteilung orientiert sich auch Island: Von insgesamt anderthalb Jahren Elternzeit ist je ein halbes Jahr für Mütter und für Väter reserviert. Nutzen Männer dieses Angebot nicht, verfällt ihr Anspruch.
Der Berliner Koalitionsvertrag schlägt jetzt eine Lohnersatzleistung sowie eine Mindestbeteiligung der Väter von zwei Monaten vor – und erntet dafür Kritik von allen Seiten. Kommentatoren geißeln die angebliche „Zwangsverpflichtung“ der Männer, wittern staatliche „Bevormundung“ und eine „Einmischung“ in private Angelegenheiten. Das Muster ist geläufig aus früheren Debatten, etwa um das Ehegattensplitting: Wenn die staatliche Alimentierung des eigenen Lebensentwurfs gefährdet scheint, hört für deutsche Chefredakteure der Spaß auf.
„Männer im besten Alter und mit größtem Erfolg, die in einem modernen Ambiente leben und arbeiten, mehr der Welt als der Kirchenfrömmigkeit huldigen, regelmäßig Leitartikel schreiben, dabei zu vielen Dingen ganz aufgeklärte Ansichten vertreten, bei einem Thema freilich zuverlässig ausrasten auf eine Weise, die man bei klugen Köpfen nicht für möglich gehalten hätte“, so hat der Publizist und frühere CDU-Modernisierer Warnfried Dettling diese Irritation charakterisiert. Selbst mit einer Hausfrau im Rücken, von der sie gern als „Familienmanagerin“ schwärmen, werden die Herren von dem Gefühl beschlichen, dass ihr Lebensmodell an Boden verliert.
Kann man diese Position als einen erwartbaren Reflex des bürgerlichen deutschen Hausvaters abtun, so erstaunen die Proteste auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Gregor Gysi von der Linkspartei etwa findet es nicht in Ordnung, wenn Besserverdienende wie er mehr Elterngeld bekommen als die viel zitierte „Verkäuferin“. Auch die Grüne Renate Künast moniert die fehlende Verteilungsgerechtigkeit; sie hält es für sozialer, das Geld in den Ausbau der Kinderbetreuung zu stecken. In der Tat: Die deutsche Familienpolitik investiert im internationalen Vergleich viel in private Geldtransfers und wenig in die öffentliche Infrastruktur. Mehr Krippen und Ganztagsplätze bleiben ein wichtiges politisches Anliegen. Trotzdem ist eine Orientierung am Nettolohn sinnvoll, um Vätern ein annehmbares Angebot für familiäres Engagement zu machen.
Seit der Reform des Erziehungsgeldgesetzes 2001, das parallel bis zu 30 Wochenstunden Erwerbsarbeit zulässt, sind immerhin 5 Prozent der Elternzeitler Männer. Auch wenn diese Zahl, die das Forschungsinstitut empirica letztes Jahr ermittelt hat, in der Öffentlichkeit wieder einmal zur Schelte der „abwesenden Väter“ herhalten musste: Die Quote hat sich im Vergleich zu den 90er-Jahren verdreifacht. Und die Erfahrungen aus den nordischen Ländern zeigen, dass eine Lohnersatzleistung zusammen mit für Väter reservierten Zeiten den Männeranteil noch deutlicher steigern kann.
Das Elterngeld soll auf maximal 1.800 Euro im Monat begrenzt sein. Gezahlt wird es höchstens ein Jahr lang. Es knüpft damit an das bereits mögliche „budgetierte“ Erziehungsgeld an, bei dem eine höhere Unterstützung mit einer kürzeren Laufzeit kombiniert wird. Schon dieses Angebot signalisierte den Abschied vom „3-Phasen-Modell“, mit dem Müttern in der Amtszeit von Rita Süssmuth der „Erziehungsurlaub“ schmackhaft gemacht wurde. Berufsorientierte Frauen und Männer können sich heute aber nicht mehr erlauben, über Jahre oder gar Jahrzehnte aus ihrem Job auszusteigen. Viel zu schnell verfallen mühsam erworbene Qualifikationen, viel zu häufig sind Arbeitsplätze bei zu später Rückkehr längst gestrichen oder von anderen besetzt.
Ist das geplante Elterngeld eine Subvention für die Mittelschichten? Dieser Vorwurf ignoriert die geschlechterpolitischen Effekte der Idee. Nur wenn es für Männer attraktiver wird, private Erziehungsarbeit zu übernehmen, geht es mit der beruflichen Gleichstellung von Frauen voran. Nur wenn Personalchefs damit rechnen müssen, dass auch Väter befristet aussteigen und wie Mütter zu „unsicheren Kantonisten“ werden, kann sich an der von Kinderlosen und männlichen Familienernährern geprägten Arbeitskultur in den Betrieben etwas ändern.
Die linken Widerstände gegen das Elterngeld werden verstärkt durch einen unangenehmen bevölkerungspolitischen Beigeschmack der Debatte. Seit Jahren klagen konservative, aber auch liberale Blätter über die niedrigen Geburtenraten der gebildeten Kreise in Deutschland. Zu diesem Gebär-Alarmismus gehört eine elitäre Begleitmusik: Die „falschen“ Leute – Migrantinnen und gering Qualifizierte – kriegen die meisten Kinder. Nur im „unordentlichen Milieu“ gelte Nachwuchs noch als natürlich, moniert Zeit-Redakteurin Susanne Gaschke in ihrem Buch „Die Emanzipationsfalle“. Eine einkommensabhängige, wenn auch nach oben limitierte Unterstützung während der Babypause könnte AkademikerInnen motivieren, sich für Kinder zu entscheiden. Doppelkarriere-Paaren gelingt es eher, die finanziellen Ausfälle nach der Familiengründung wenigstens für ein Jahr zu kompensieren, wenn mehr als ein Taschengeld gezahlt wird.
Im Kern jedoch geht es weder um Demografie noch um Gerechtigkeit. Sondern darum, Väter durch politische Anreize zu emanzipatorischen Rollenexperimenten zu ermuntern. Wenn Familienministerin Ursula von der Leyen die beiden „Papamonate“ damit begründet, dass auch Männer „Respekt vor der Erziehungsarbeit“ bekommen sollten, erinnert das im Ton zwar ein wenig an die altfeministischen Klischees von den uneinsichtigen, faulen Drückebergern. Doch die Reaktion von PDS-Chef Gregor Gysi, in die auch Rudolf Hickel von der WASG-nahen Memorandum-Gruppe einstimmt, offenbart den geschlechtsblinden Blick des Traditionssozialismus. Für Gleichstellung reicht es nicht aus, sich als „1-Punkt-Partei“ gegen Hartz IV und für soziale Gerechtigkeit einzusetzen.
THOMAS GESTERKAMP