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Archiv-Artikel

Verdichten und Zerstreuen

Zwei Berliner Produzenten und Labelmacher, Function und Aera, legen ihre Debütalben vor. Dort hören die Gemeinsamkeiten aber auch fast schon wieder auf. Bemerkenswert sind beide, wenngleich auf recht unterschiedliche Art.

David Sumner alias Function stammt aus New York und wurde dort in den frühen Neunzigern von Techno-Hohepriester Jeff Mills zum Glauben des kompromisslosen Beat bekehrt, begann eigene Musik zu produzieren und als DJ aufzulegen. Zu Beginn der nuller Jahre zog er nach Berlin, gründete das Label Sandwell District, und schreibt seither selbst Techno-Geschichte.

Mit seinem Album hat er sich Zeit gelassen. „Incubation“ könnte als Titel nicht besser gewählt sein: Hier hat jemand so lange über seinen Tracks gebrütet, bis sie voll entwickelt waren und zu eigenem Leben erwachen konnten. Function präsentiert einen gereiften Stil, kein stürmisches Anfänger-Werk.

Was mitnichten heißen soll, dass bei Sumner gediegene Langeweile aufkäme. Er bevorzugt deutlich die dunkel-melancholischen Stimmungen, wie sie im heutigen Techno verbreitet sind, schmückt sie jedoch mit so zielsicher gesetzten Nuancen aus, dass er seine Hörer innerhalb eng gesetzter Parameter eine ziemlich weite Strecke reisen lässt. Meistens soll dazu getanzt werden, sei es in verlassenen Industriehallen, auf ungewisser Mission im Weltall oder in einem zurückgelehnt swingenden Zwischenreich.

Ralf Schmidt alias Aera begann erst im Jahr 2010, Platten zu veröffentlichen. Fünf Maxis mit seiner Musik hat er auf seinem Label Aleph Music bisher herausgebracht, jetzt folgt sein erstes Album. „Offseason Traveller“ weist deutlich darauf hin: Aera ist ein Streifender in Sachen Clubmusik. Statt sich auf ein Genre festzulegen, sucht er sich die flirrendsten Klänge und Rhythmen aus geradlinigem House, britischer verschlenkerter Bassmusik und bewusstseinserweitertem Krautrock zusammen.

Tatsächlich reiste Schmidt zuvor durch Peru und Bolivien, um mal etwas anderes zu sehen als das halbjährlich graue Berlin, und versteht seine Platte als ein Reisetagebuch. Da klatscht es wahlweise zu einem federnden Beat, pluckert mit leicht angetrunkenen Melodien entspannt vor sich hin oder macht mit nervösem Staccato-Getrommel die Pferde scheu. Schmidt scheint sich auf seiner Reise bestens amüsiert zu haben.

TIM CASPAR BOEHME

■ Function: „Incubation“ (Ostgut Ton/Kompakt), am 2. 3. live im Berghain

■ Aera: „Offseason Traveller“ (Aleph Music/Word And Sound), am 22. 3. live im Farbfernseher