: Fördermittel werden nicht ausgeschöpft
Bundesweit werden die Mittel zur Arbeitsförderung von Hartz-IV-Empfängern nur zu etwa zwei Dritteln abgerufen. Das Beispiel Leipzig zeigt, dass zwar viel gefordert, aber wenig gefördert wird. Grüne kritisieren Unerfahrenheit des Personals vor Ort
AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH
Die grüne Stadträtin Anette Körner aus Leipzig kennt zahlreiche Vereine und Initiativen, die sich richtig ärgern. Seit August warten sie zum Teil bereits auf einen Bescheid über ihre ABM-Anträge. Es geht um Stellen im Öko-, Kultur- und Sozialbereich. Um so genannte „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ nach dem Sozialgesetzbuch III, klassische Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), Umschulungen und Einstiegszuschüsse in den ersten Arbeitsmarkt, die auch für Langzeitarbeitslose nach Hartz IV möglich sind.
Konkrete Beispiele will Körner lieber nicht nennen, um mögliche Bewilligungen nicht zu gefährden. Denn es scheint Bewegung in die bundesweit drittgrößte „Arge“, die Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaft aus Stadt und Arbeitsagentur, gekommen zu sein. Vor allem seit bekannt wurde, dass Leipzig fast die Hälfte dieser Bundesmittel zur Arbeitsförderung in Höhe von 84 Millionen Euro in diesem Jahr nicht ausschöpft. Rund 40 Millionen gibt die Stadt ungenutzt an den Bundesfinanzminister zurück. Körners Fraktionskollege Michael Weichert, zugleich grüner Landtagsabgeordneter in Dresden, ist empört: „Das Geld steht den Leipzigern zu, die auf ein Jobangebot hoffen.“ Das gilt nicht nur für Leipzig.
Von 465 Millionen Euro, die für die Förderung von Arbeitslosengeld-II-Empfänger in ganz Sachsen zur Verfügung stehen, sind nach Angaben der Landesarbeitsagentur derzeit nur 65 Prozent bei Trägern gebunden. Die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen nennt für die beiden Bundesländer eine Zahl von 62 Prozent. Im Bereich der Arbeitsagentur Erfurt legt man sich vorsichtig nur auf eine Größenordnung von 60 Prozent fest, weil das „Dezemberfieber“ noch einige ABM-Stellen oder Qualifizierungsmaßnahmen bringen könnte.
Noch vorsichtiger ist Heinz Oberlach, Sprecher der Bundesagentur in Nürnberg. Die bundesweit 2,4 Milliarden aus dem ehemaligen Clement-Ministerium für ALG-II-Empfänger würden voraussichtlich nicht ausgeschöpft, bestätigt er. Zahlen nennt er nicht. Wie die Regionaldirektionen und kommunalen Arbeitsgemeinschaften spricht Oberlach von organisatorischen Anlaufproblemen, die für die mangelhafte Umsetzung des Förderprogramms verantwortlich seien. Nicht nur die Software, sondern auch die Unerfahrenheit des Personals spiele eine Rolle. Anette Körner aus Leipzig wird deutlicher. „Da sitzen neue Leute, die kennen keinen und blicken noch nicht durch.“ Und der Abgeordnete Weichert ergänzt: „Ehe sie etwas falsch machen, machen sie lieber gar nichts.“
Vorrang habe zunächst die gleichfalls schwierige Auszahlung des Arbeitslosengelds gehabt, resümiert Oberlach, der Sprecher der Bundesagentur, den Anlauf von Hartz IV. Als weiteren Grund für die schlechte Ausschöpfung der Arbeitsfördermittel nennt er die gezielte Beschränkung auf Maßnahmen, die für den ersten Arbeitsmarkt wirksam sind. Außerdem kaufe die Bundesagentur Weiterbildungsleistungen zentral und damit kostengünstiger ein, was aber mit Umsetzungsproblemen verbunden sein könne. Oberlach bestreitet aber, dass generell eher auf Ein-Euro-Jobs statt auf Eingliederungshilfen gesetzt worden sei.
Das behauptet unter anderem Markus Schlimbach vom DGB Sachsen. Der Gewerkschaftsbund sitze zwar in den Beiräten der Arbeitsgemeinschaften, wisse aber kaum, was dort wirklich passiert, beklagt er. Die Arbeitsförderungsgelder dürften nicht verfallen, sondern müssten ins nächste Jahr übertragen werden können. Das, so Schlimbach, sei eine zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung, zumal der Haushaltentwurf für 2006 noch unvollständig sei.