Mozart zwischen Genie und Wahnsinn : Derbe Ausdrücke und Fäkalsprache

Sind Wolfgang Amadeus Mozarts seltsame Verhaltensweisen auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen? Darüber streiten Mediziner und Psychologen.

Wolfgang Amadeus Mozart: Gefeiert wird er als Genie, gestritten wird über seine Krankheiten. Bild: ap

Wolfgang Amadeus Mozart gilt vielen als Freak. Zu diesem Bild trug nicht zuletzt der US-Spielfilm von Milos Forman aus dem Jahr 1984 bei. Der Musiker wird hier als infantiler, nervöser Neurotiker dargestellt, der ständig obszöne Witze macht, auf Liebesabenteuer aus ist, keine höfischen Regeln befolgt und der ungezügelt seiner Alkohol- und Spielsucht frönt.

Tatsächlich hatte Mozart einige seltsame Verhaltensweisen. Und auch die Fachwelt ist sich nicht einig, ob diese noch als "normal" zu bezeichnen sind, oder ob der Komponist nicht vielleicht psychisch krank war.

Zählt man alle Malaisen zusammen, die dem Musikgenie im Laufe der Jahre angedichtet wurden, kommt man auf rund 85, davon 27 psychische, hat der Mediziner Lucien Karhausen, der ehemals an der Cornell und der Harvard University forschte, kürzlich herausgefunden. Unter den psychischen Erkrankungen finden sich Psychosen, Depressionen, Epilepsie, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder auch Persönlichkeitsstörungen.

Weil Mozarts Gebeine heute nicht mehr als Forschungsobjekt zur Verfügung stehen, bleiben den Medizinhistorikern nur Mozarts Briefe, adressiert etwa an seine Cousine Maria Anna Thekla. Wegen dieser "Bäslebriefe", die mit aberwitzigen und derben Sprachkompositionen sowie Ausdrücken aus der Fäkalsprache gespickt waren, schreiben dänische Psychologen Mozart das Tourette-Syndrom zu.

Bei dieser seltenen psychischen Erkrankung leiden die Betroffenen unter Tics. Das sind unwillkürliche, meist kurze, teilweise heftige Bewegungen, die immer wieder in gleicher Weise auftreten können. Dazu kommen Sprachtics, etwa das zwanghafte Wiederholen von Sätzen und Wörtern, darunter auch Beschimpfungen und Obszönitäten. Der Mediziner Karhausen hält diese Diagnose schlichtweg für falsch.

Ein Arbeitstier

"Mozart litt nicht am Tourette-Syndrom; Tics sind ungewollt, während Mozart absichtlich mit Wörtern, Geräuschen und Zahlen spielte." Tics würden auch nicht in einer schriftlichen Form wie in den Bäslebriefen vorkommen.

Sicher ist, dass Mozart immer wieder seine körperlichen Grenzen überschritt, er war ein regelrechtes Arbeitstier. Einige Psychologen sehen darin eine manische Depression.

Auch die Niedergeschlagenheit und die Todesängste Mozarts, nachdem sein Vater im Jahr 1787 verstarb, deuteten einige Historiker als klinische Depression mit paranoiden Wahnideen. "Das ist absurd. Schmerz und Trauer sind doch normal, wenn man nicht nur seinen besten Freund, sondern auch seinen engsten Berater verloren hat", kontert Anton Neumayr, Medizinhistoriker, der ehemals an der Universität Wien forschte. Zudem fehlten andere typische Symptome wie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen oder Antriebslosigkeit.

Unzulässige Vereinfachung

Des Weiteren munkelt man in der Mozart-Gemeinde, dass der Komponist auch an einer Epilepsie gelitten haben könnte. Seine manisch-depressiven Züge sowie die häufigen Erschöpfungszustände und starken Kopfschmerzen würden darauf hinweisen.

Der Neurologe Goran Ivkic von der Universität Zagreb hält auch diese Diagnose für eine unzulässige Vereinfachung. "Die hygienischen Bedingungen und seine Arbeitswut könnten dazu beigetragen haben, dass er so oft körperlich erschöpft war."

Auch für die anderen Krankheiten wie Persönlichkeitsstörungen oder ADHS, die Mozart zugeschrieben werden, sehen Karhausen, Neumayr und Ivkic kaum ausreichend Beweise.

Lucien Karhausen hat aber eine Erklärung für all diese medizinischen Diagnosen: "Das sind Versuche, einen herausragenden Komponisten von seinem Sockel zu heben. Indem wir von oben auf seine Persönlichkeit und seine Arbeit herabsehen, wird der Neid auf das Genie erträglich."

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