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Archiv-Artikel

Nichts bewegt sich!

Wie die Bürokratie unser schönes Land lähmt und wie man den Amtsschimmel zureitet

Viele Menschen kommen kaum noch aus dem Bett, weil sie die Bürokratie so lähmt!

Was hatten wir Bürger uns auf die neue Regierung gefreut! Gemeinsam mit Bundespräsident Köhler und dem Spiegel hatten wir darauf gehofft, dass sämtliche überflüssigen Verordnungen und Gesetze abgeschafft werden und der bürokratische Wildwuchs endlich auf einen gepflegten Dreitagewuchs zurechtgestutzt wird. Doch unter der großen Koalition wird alles noch viel schlimmer: Jetzt wird jedes Gesetz von Horst Seehofer eigenhändig verschärft und von Peer Steinbrück noch mal doppelt so kompliziert gemacht.

Dabei müssten es nach vielen tausend Köhler-Reden und Spiegel-Artikeln doch eigentlich alle verstanden haben: Die Bürokratie in Deutschland ist dafür verantwortlich, dass sich in diesem Land nichts bewegt. Viele Menschen kommen morgens kaum noch aus dem Bett, weil sie die Bürokratie so lähmt! Hierzulande ist es nämlich so: Jede Eigeninitiative wird unter der tonnenschweren Last von peniblen Paragraphen, kleinlichen Vorschriften und gemütlichen Steppdecken erstickt. Alles ist bis in Kleinste reglementiert, für alles braucht man ein Formular, und das nicht nur zwischen den Laken. Ob man einen Anwohnerparkausweis beantragt, seine jährliche Steuererklärung macht oder spaltbares Material in ein lauschiges Bächlein leiten will – immer mischt sich der Moloch Staat ein, will alles haargenau wissen und Belege sehen.

Entsprechend absurd gestaltet sich unser Leben. Mit einem Anwohnerparkausweis darf man in dieser und jener Zone parken, an anderer Stelle wiederum nicht, da ist es dann plötzlich verboten – einzig aus nackter behördlicher Willkür heraus. Was ist das nur für ein Land? Kann denn nicht der Bürger selbst entscheiden, wo er parken möchte, zum Beispiel mitten in der Fußgängerzone? Kein Wunder, dass die meisten Deutschen ihr Auto inzwischen in der Garage stehen lassen und die Innenstädte komplett veröden.

Anderes Beispiel: Man will sich mal wieder was zum Anziehen kaufen, schon ereilt einen der Schock. Die Schlafanzüge gibt es alle nur in S, M, L und XL! Ja, ist es denn nötig, alle Bürger über einen Kamm zu scheren? Statt ihnen die freie Wahl der Kleidergröße zu lassen? Da schläft man doch lieber gleich nackt, erkältet sich grässlich und muss von der örtlichen Krankenhausverwaltung krankgeschrieben werden, selbstverständlich auf einem gelben Zettel mit doppeltem Durchschlag. Das Nachsehen aber hat die Volkswirtschaft, also letztlich wir alle!

Andere Länder machen uns vor, wie es auch ohne große Bürokratie geht. In den USA benötigt man nie mehr als zwei Formulare, egal worum es geht, und es dauert keine 24 Stunden, bis man eine hochmoderne Fabrik zur Herstellung schwermetallhaltiger Abfälle genehmigt bekommt. Eine komplexe militärische Intervention kann man sogar ganz ohne lästigen Papierkrieg durchführen. Bei uns dagegen: 456 Formulare bei einer Genehmigungszeit von viereinhalb Jahren! Da hat sich das Schwermetall mittlerweile von selbst verflüchtigt, meist nach China, und jede Kampfeslust ist längst dahin.

Alle Experten sind sich einig: Dieser groteske Wust aus kleinkarierten Verordnungen, Richtlinien und Daunenkissen sorgt dafür, dass sich in Deutschland nichts bewegt, jedenfalls nicht bis in die frühe Mittagszeit. Selbst leistungswillige Bürger ziehen sich die Decke bis zur Nase hoch und drehen sich noch mal um – zumal sie wissen, dass das Aufstehen ja sowieso keinen Sinn hätte: Bis die Genehmigung zum Kaffeekochen bei den zuständigen Stellen eingeholt ist, ist der Nachmittag schon längst vorbei. Da kann man besser gleich den Kaffee für morgen beantragen und heute einfach liegen bleiben. MARK-STEFAN TIETZE