Kommentar Wulffs Entschuldigung : Neustart mit Tücken

Der Bundespräsident ist mit seiner Entschuldigung sehr weit gegangen. Viele werden ihn trotzdem nicht mehr ernst nehmen können. Doch er hat eine Chance verdient.

Der Bundespräsident hat sich entschuldigt. "Das tut mir leid" ist ein seltener Satz in der Politik. Meist flüchten sich von Affären bedrohte Spitzenpolitiker in Floskeln und lavieren so um ein wirkliches Eingeständnis ihrer Verfehlungen herum. Wulff ist sehr weit gegangen, dass muss man ihm zugutehalten. Die Frage ist, ob dieses späte Eingeständnis reicht, um das Vertrauen der BürgerInnen wiederzugewinnen.

Klar ist: Wulff hat seine moralische Integrität - das wichtigste Kapital eines Präsidenten - schwer beschädigt, ebenso das Ansehen seines Amtes. Daran ändert auch die plötzliche Einkehr nichts mehr.

Er bleibt ein Bundespräsident, den viele nicht mehr ernst nehmen werden, wenn er über Schulden, Finanzkrise oder Moral in der Politik redet.

Klar ist auch: Ausgestanden hat Wulff seine Affäre mit dieser Erklärung noch nicht. Denn der Präsident hat eine rote Linie gezogen - für seine eigene politische Zukunft. Er betont, private Freundschaften hätten seine Amtsführung nicht beeinflusst. An dieser Aussage wird er in den nächsten Monaten gemessen werden, wenn Medien und der Niedersächsische Landtag die Affäre weiter aufklären.

Viele Fragen sind noch offen: Wulff zog wiederholt keine klare Grenze zwischen Privatem und Politik. Er ließ sich als Ministerpräsident von befreundeten Unternehmern zu Gratisurlauben einladen, er finanzierte sein Haus mit dubiosen Krediten.

Wenn herauskäme, dass er auch nur einem einzigen Freund im Gegenzug Vorteile gewährte, wäre die rote Linie überschritten. Dann müsste Wulff gehen.

Bis dahin gilt auch für einen Bundespräsidenten: Wer für Verfehlungen um Verzeihung bittet, hat noch eine Chance verdient. Auch andere Präsidenten haben sich nach Skandalen ihr Ansehen wieder erarbeitet, ein Beispiel ist Johannes Rau.

Wulffs Verführbarkeit, seine Anfälligkeit für Glamour, den er sich eigentlich nicht leisten kann, machen ihn menschlich. Man kann auch sagen: Er ist einer von uns.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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