Endlich Mittelstand

GEKAUFT Gruner + Jahr ließ neben der „Financial Times Deutschland“ auch „Impulse“ fallen. Doch die Macher hoben das Wirtschaftsmagazin auf – und führen es nun im eigenen Verlag fort

„Der kleine Titel wurde in allen Bereichen eher stiefmütterlich behandelt“

„IMPULSE“-CHEF NIKOLAUS FÖRSTER

VON DANIEL BOUHS

Für Nikolaus Förster war das ein „Tag der Befreiung“. Aber: „Es gab auch Kollegen, die sich mit der neuen Situation erst noch arrangieren mussten. Man geht ja raus aus einem großen Konzern, aus einer großen Sicherheit und rein in ein Start-up, in dem nahezu alles von Grund auf neu aufgebaut werden muss.“

Förster hat dem Großverlag Gruner + Jahr (G+J), der zur Mediengruppe Bertelsmann gehört, das Magazin Impulse abgekauft. Das Magazin war Teil der Großabteilung Wirtschaftsmedien, die vom Vorstand zur Abwicklung freigegeben wurde: Das größte Projekt der mehrere hundert Köpfe zählenden Redaktion, die Financial Times Deutschland, wurde komplett aufgegeben.

Bei Impulse geht es weiter. Förster, der seit 2009 Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins ist, gründete einen eigenen Verlag und kaufte die Markenrechte, den Abo-Stamm und übernahm viele Mitarbeiter. Mit eingestiegen ist Dirk Möhrle, der die Baumarktkette Max Bahr geleitet hat, bevor seine Familie sie veräußerte. „Wir sind komplett schuldenfrei“, sagt Förster. Sein monatliches Magazin wurde zuletzt pro Ausgabe 80.000-mal verkauft.

Impulse berichtet nun nicht mehr nur über Mittelständler, es ist jetzt auch selbst Mittelstand. Förster, der nun Chefredakteur und geschäftsführender Gesellschafter ist, war seiner Zielgruppe noch nie so nah. Gerade hat seine Redaktion neue Räume bezogen, weg vom Großverlag am Hamburger Baumwall mit Blick auf den Hafen, mitten im Industriegebiet. Wer mit rüberkam, der verzichtete auf seine – teils im sechststelligen Bereich liegenden – Abfindungen. Der Verzicht auf das Geld von G+J war Teil des Preises, den die neuen Macher an den alten Verlag für Titel und Abonnenten zahlten.

„Wir haben das diskutiert“, berichtet Förster. Nicht wenige wollten Härte zeigen, auch mit Blick auf die Kollegen der FTD. Die immerhin werden gerade in einer Zeit vor die Tür gesetzt, in der es um die Frage geht: Was bleibt vom Qualitätsjournalismus beim Gruner + Jahr noch übrig? „Manch einer wollte, dass Gruner + Jahr zahlt, egal was passiert“, sagt Förster. „Meine Position war aber auch die des Verlags: Wir müssen fair sein, und dazu gehört auch, dass wir den Leuten weiterhin eine Festanstellung bieten. Das ist auch etwas wert.“

Doch Impulse war sowieso stets ein kleiner Planet im großen Wirtschaftsmedien-Universum von G+J. Es wurde auch in den vergangenen Jahren weitgehend von einem überschaubaren Kreis an Redakteuren produziert – dem „Kernteam“. So war es für Förster einfach, zu entscheiden, wen er mitnehmen würde. „Von denen sind fast alle mitgegangen“, sagt Förster, der sich aber auch in Verzicht üben musste. Ein paar wollten lieber etwas eigenes gründen, „so wie eine Kollegin, die jetzt ein Unternehmen aufmachen wird, die wir aber in unsere Aktionen einbinden wollen“. Damit scheint schon jetzt klar: Das „Kernteam“ hält weiter zusammen.

Aber wenn es in der Riesenredaktion ohnehin stets eine feste Gruppe gab, die Impulse produziert hat – war das mit den Synergien, auf die Konzerne wie G+J so abfahren, dann nicht ein großer Schwindel? „Nein, das war kein Fake“, sagt Förster. Er nimmt das frisch vor die Wand gesetzte Projekt des Großverlags in Schutz. So hätten Reporter stets alle Titel im Blick gehabt, wenn sie sich auf kostspielige Reisen ins Ausland aufmachten.

Das Netzwerk war für das Wirtschaftsmagazin ein Luxus, auf den die Macher künftig verzichten müssen. „Wir haben jetzt natürlich keine Finanzredakteure in Frankfurt mehr, die uns zuarbeiten“, sagt Förster. Seine Leute müssten nun neue Kontakte knüpfen, zu den Journalistenbüros in den Finanzmetropolen dieser Welt.

Journalistisch macht sich der frisch gebackene Unternehmer aber keinen Kopf. Das Risiko liege vor allem im Verlagsmanagement. Dort immerhin habe sich ja die große Zentrale bisher um alles gekümmert. In einem ersten Schwung von Aktionismus hat Förster neue Verträge aufgelegt: Um Anzeigen kümmern sich zwar weiterhin „die Gruners“, doch die jüngste Ausgabe hat bereits eine neue Druckerei gefertigt. „Wenn man aus einem Großverlag rausgeht, merkt man: Konzernpreise sind keine Marktpreise“, sagt Förster. Das sei ihm schon im Herbst aufgefallen, als er sich mit seinen Vertrauten nach Konditionen potenzieller Partner erkundigte. „Alle Angebote waren günstiger als das, was Impulse in den vergangenen Jahren bezahlt hat.“

Diese Erfahrung deckt sich mit anderen Medienmachern, die einen „Management-Buy-out“ hinter sich haben. Vor vier Jahren, 2009, kaufte beispielsweise Katarzyna Mol-Wolf Gruner + Jahr das Frauenmagazin Emotion ab. Sie habe „immer darunter gelitten“, dass sie hinter den großen Titeln des Verlags wie Brigitte, Eltern und Gala hintanstand. „Ich bin davon überzeugt, dass kleine Qualitätstitel in großen Verlagen nicht besonders gut aufgehoben sind.“

Mol-Wolf rät, nach dem Stapellauf möglichst rasch Beiboote ins Wasser zu lassen: Nebengeschäfte, die den eigentlichen Titel absichern. Auch da will Impulse ran, mit digitalen Ausgaben, aber auch mit der Ausweitung des Seminargeschäfts. Förster überlegt zudem, Magazine von Verbänden und Unternehmen zu produzieren – „strikt getrennt von der eigentlichen Redaktion“. Er weiß um das Spannungsverhältnis von PR und Journalismus. „Über unsere Glaubwürdigkeit geht nichts.“

Nun spürt Förster die Vorzüge seiner neuen Freiheit. Er hat gerade eine Kampagne in eigener Sache gestartet, in der Unternehmer für Impulse werben – so etwas habe es in den vergangenen Jahren nicht gegeben, weil der vergleichsweise kleine Titel „in allen Bereichen eher stiefmütterlich behandelt wurde“, sagt Förster, der auch eine weitere Neuerung von einer auf die andere Minute einführen konnte, ganz ohne die Gunst der bisherigen Vorgesetzten: Er hat die Prämien abgeschafft, mit der neue Abonnenten gewonnen werden sollten. Das wurde schon zu G+J-Zeiten diskutiert. Doch: „Ich konnte mich mit dem Gedanken, unser Produkt nicht mehr mit Bohrmaschinen zu entwerten, nicht durchsetzen.“

Aber auch die Qualen eines Unternehmers treiben Förster inzwischen um. „Es geht gerade darum, hier eine gewisse Routine reinzubringen“, sagt er – und stöhnt. „Es gibt so viele Verordnungen, vom Verbandskasten bis zu grauen Streifen, die ich an meine Glastür kleben musste – in einer bestimmten Größe und einer bestimmten Höhe.“ Bei Impulse erleben sie nun zum ersten Mal am eigenen Leib, wie es ihrer eigenen Zielgruppe ergeht.

Das muss für Journalisten nicht unbedingt etwas Schlechtes sein.