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Archiv-Artikel

Hilfloses Marketing

LOKALPATRIOTISMUS Der Band „Kinder malen Hamburg“ suggeriert eine Hamburg-Begeisterung, die so wenig authentisch ist wie die jener Künstler, die Kunsthallen-Direktor Alfred Lichtwark die Stadt porträtieren ließ

Das Büchlein wirkt wie eine Marketing-Maßnahme, die suggerieren soll, dass selbst die Kleinsten diese Stadt pittoresk finden

Wenn Kinder malen, kann das nur berückend sein – dachten vermutlich die Initiatoren des Buchs „Kinder malen Hamburg“, das ein hiesiger Verlag im Kooperation mit Schulen und der Kunsthalle edierte. Ein kleines, fröhliches Kompendium ist es geworden, und in puncto Farbenfreude macht es wunschlos glücklich: Bunte Köhlbrandbrücken, farbenfrohe Laeiszhallen stehen vergnügt neben der – noch gar nicht fertigen – Elbphilharmonie.

Kinder verschiedener Grundschulen haben die Bilder geschaffen, und hier liegt vermutlich der Schlüssel zur deren frappierender Ähnlichkeit: Da hat der Lehrer wohl vorgegeben, dass Köhlbrandbrücken in schwarzer Wachskreide vor rotem Hintergrund zu malen sind. Dass sich das Rathaus am besten vor taubenblauem Himmel macht und dass der Bunker Feldstraße sonnengelb unterlegt sein muss.

Seltsam konformistisch wirken die Bilder. Eins ist allerdings gegeben: ihre direkte Vergleichbarkeit. Das lässt vermuten, dass die Blätter entweder zwecks Benotung, in jedem Fall aber von Konkurrenz schürenden Pädagogen initiiert wurden. Überdies scheinen sie der Vertiefung spezieller Techniken – Wasserfarbe, Batik, Collage – zu dienen; die Hamburg-Motive wären also bloß Anlass gewesen. Dies wiederum erinnert stark an den ersten Kunsthallen-Direktor Alfred Lichtwark, der die konservativen Hanseaten anhand hamburgischer Motive an neue Perspektiven gewöhnte: Sehr gezielt lud er deutsche und französische Impressionisten ein, um die Stadt zu porträtieren. Die Resultate präsentiert derzeit die Ausstellung „Hamburger Ansichten“ in der Kunsthalle. Sie suggeriert – genau wie der Band „Kinder malen Hamburg“ – eine Hamburg-Begeisterung, die allerdings erst durch Einladungen und geldwerte Aufträge aus den Künstlern herausgelockt werden konnte.

Auch die Kinderbilder, in starre formale und motivische Schemata gepresst, zeugen nicht zwangsläufig von authentischem Lokalpatriotismus. Vielmehr wirkt das Büchlein wie eine Marketing-Maßnahme, die suggerieren soll, dass selbst die unverbildeten Kleinsten diese Stadt pittoresk finden. Ob das wirklich so ist, hätte man nur feststellen können, wenn man den Kindern die Motivik frei gestellt hätte. Wäre da ein hoher Anteil hamburgischer Motive herausgekommen, hätte man von wahrer Begeisterung für die Hansestadt sprechen können.

PETRA SCHELLEN

„Kinder malen Hamburg“. Hamburg 2009, 160 Seiten