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Archiv-Artikel

Bluesige Geisteraustreibung

MUSIK Zwischen Tamburin und plätschernder Gitarre: „Buck“ von Daniel Norgren ist draußen

Die einsame Landstraße, fernab der Heimat, ist eines der beliebten und immer wieder bedienten Folkrock-Bilder. So oft haben eine Joan Baez, ein Johnny Cash oder John Denver die „lonesome roads“, die „lonely nights on the road“ und natürlich die „country roads“ besungen, dass jede Wiederholung heute eigentlich nur noch Abklatsch sein kann.

Daniel Norgren lässt sich davon nicht abhalten. Auf seinem neuen Album, „Buck“, singt der 29-Jährige trotzig: „As I hit the road / I’m loneley as can be“ – klischeehafter hätte er den Vers seiner Ballade „Once a Queen“ nicht formulieren können. Billigen Retro-Folk macht Norgren aber nicht. Mit seinem dritten Album beweist der Sänger, dass er den Blues in sich hat. Das erstaunt vor allem deshalb, kommt doch der Musiker nicht aus den Südstaaten Amerikas, sondern aus Schweden. In diesen Wochen ist er mit seinem Tourbus auf deutschen Autobahnen unterwegs.

Natürlich fehlt in Norgrens Folksongs auch das Tamburin nicht. Zur gemütlich hinplätschernden Gitarrenbegleitung in „Once a Queen“ schlägt er es durchgehend auf zwei und vier. Am Ende summt er den eingängigen Chorus noch einmal mit, bis dieser sich auch beim letzten Hörer fest ans Trommelfell gehaftet hat. Allein die sphärische Synthesizerfläche im Ausklang erinnert daran, dass wir nicht mehr in den Siebzigern sind.

Eigentlich muss man Norgren beim Musizieren zusehen, wie er – unrasiert und mit Baseballcap – bei „Moonshine Got Me“ im Sitzen das immergleiche Gitarrenriff wiederholt, gleichzeitig mit beiden Füßen das Schlagzeug bedient und wie in Trance mit hoher Stimme die nur fünf Verse des Songs regelrecht zelebriert. Einige der Titel hat der Multiinstrumentalist vollständig allein eingespielt.

Für andere hat er sich Verstärkung geholt. In „Putting My Tomorrows Behind“ schiebt sich der Sänger im trägen 6/8-Takt durch die von Gitarre, Bass und Klavier gelegten Flächen. Klagend ist seine Stimme, die das moderne, von Effizienzdenken geprägte Leben anprangert. Wenn die Background-Sänger im Chorus zur Unterstützung einsetzen, könnte man fast meinen, da übe sich ein Leonard Cohen im hohen Register.

Schade ist nur, dass das Album mit seinen neun meist kurzen Liedern so schnell vorbei ist. Die restlichen Tracks bestehen aus Soundspielereien. Beim ersten Titel vermutet man erst Donnerschläge, dann Löwengebrüll, bevor man feststellt, dass da wohl irgendetwas Schweres hin und her gerückt wird. Bei einem anderen Lärm-Interlude verrät der Titel, dass es um „Geisteraustreibung“ geht. Wie das klingt, kann man sich vielleicht vorstellen. Was das mit seinen Liedern zu tun hat, bleibt Norgrens Geheimnis. Seine Hörer werden eher geneigt sein, zum nächsten Track zu springen und sich weiter über einsame Landstraßen schaukeln zu lassen.

Ungeschminkter Sound

Auf virtuose Soli und ausgetüftelte Gitarrenriffs wartet man in Norgrens Songs vergeblich. Die braucht es auch nicht. Seine Kompositionen sind stark. Der Sound ist ungeschminkt. Roh und scheppernd klingt das Schlagzeug, nicht überproduziert, sondern eher, als habe jemand einen Kassettenrekorder im Proberaum deponiert. Auch die Gitarre, knapp an der sauberen Stimmung vorbei, verleiht Songs wie „Music Tape“ den Reiz des Bodenständigen.

„Buck“ klingt wie aus der Zeit gefallen. Fast möchte man meinen, Daniel Norgren hätte einen mit seiner Gitarre schon in jungen Jahren begleitet, damals in den Siebzigern. Oder wäre, je nach Generation, bereits auf langen Reisen im Auto der Eltern mit dabei gewesen – auf Best-of-Mixtapes zwischen Denver, Baez und Cash. JANNIS HAGMANN

■ Daniel Norgren: „Buck“ (Popup-records)