: Jung, dynamisch, sorglos
Zwölf Jahre nach Bekanntwerden des UKE-Strahlenskandals verlangte die Staatsanwaltschaft gestern eine Geldstrafe für den damaligen Leiter der Radiologie. Verantworten muss sich Klaus-Henning Hübener nur wegen des Todes einer Patientin
von Elke Spanner
Eine Verurteilung von Professor Klaus-Henning Hübener, das hat sich gestern vor dem Landgericht gezeigt, kann kaum mehr sein als ein symbolischer Akt. Selbst die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der frühere Chefarzt der Strahlentherapie des Universitätsklinikums (UKE), der für einen der größten Medizinskandale der Nachkriegsgeschichte verantwortlich sein soll, eine Strafe schon durch seine 12-jährige Suspendierung vom Dienst erhalten hat.
Seit Anfang der 90er Jahre ermittelte Oberstaatsanwalt Manfred Wagner im UKE-Strahlenskandal. Gestern verlangte er für den Mann, der als Chefarzt das damalige Behandlungskonzept entwickelt hat, die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung – und eine Geldstrafe von insgesamt 9.000 Euro; Peanuts für jemanden, der bis heute sein Chefarztgehalt bezieht. Wagner betonte, dass er für Hübener eine Freiheitsstrafe auf Bewährung verlangt hätte, wäre das Verfahren zu einem früheren Zeitpunkt zur Anklage gekommen. Dass dies erst jetzt geschah, ist die Folge immer neuer Verfahrensverzögungen.
1986 hatte der heute 62-jährige Hübener die Leitung der Radiologie des UKE übernommen. Dort praktizierte er die so genannte „Sandwich-Methode“, bei der Krebspatienten vor und nach der Operation bestrahlt werden. Die wurde auch andernorts angewandt, Hübener jedoch entwickelte ein eigenes Konzept zur Strahlenmenge – und am UKE häuften sich Fälle von Strahlenschäden.
Die Stadt hat inzwischen rund 20 Millionen Euro Schadenersatz an über 100 Patienten und deren Angehörige gezahlt. Zur strafrechtlichen Anklage gekommen ist unterdessen nur der Fall der Patientin Irene S.: Sie war 1988 im UKE behandelt worden und 1999 an den Spätfolgen gestorben. Dass der Tod auf fehlerhafte Bestrahlung zurückzuführen ist, haben Gerichtsgutachter bestätigt. „Frau S. war vollkommen verstrahlt“, fasste der Staatsanwalt gestern zusammen. „Ihre Bauchhöhle bestand nur noch aus verschmortem und verfaultem Gewebe“.
Hübener, sagte der Ankläger, habe eine „ungeprüfte Mixtur verschiedener Betrahlungskonzepte“ angewandt und keine Schutzmaßnahmen getroffen. Er sei „jung, dynamisch und unerfahren gewesen“, sein Behandlungskonzept hätten die Ärzte der Abteilung ohne Widerspruch umgesetzt.
Schon 1987 seien erste Beschwerden über die Behandlung eingegangen, auch habe es Warnungen von der deutschen Gesellschaft für Radiologie gegeben. Über all das sei Hübener hinweggegangen, habe „sorglos“ sein Konzept weiter praktiziert.
Hübener selbst hat jegliche Schuld von sich gewiesen. Irene S. habe er persönlich nie gesehen und behandelt, sein Therapiekonzept sei gut und richtig gewesen. Sein Verteidiger Wolf Römmig verlangte gestern einen Freispruch. Dass erst 17 Jahre nach der Behandlung von Irene S. über ein Urteil beraten wird, sei „eine Schande für die Justiz“, so Römmig. Die Bestrahlungsmethode habe „voll dem Lehrbuchwissen“ entsprochen und Hübener habe ein Strahlenkonzept angewandt, das „nach damaligem Kenntnisstand kein höheres Risiko barg, aber einen graduell besseren Behandlungserfolg versprach“.
Das Landgericht wird sein Urteil am nächsten Mittwoch verkünden.