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Archiv-Artikel

„Es geht um Einzelfälle“

VORTRAG Pflegekinder in Bremen sucht Familien, die geflohene Jugendliche aufnehmen können

Von BES
Eva Rhode

■ Journalistin, arbeitet als Sprecherin von Pflegekinder in Bremen (PiB) und war bis 2005 Redakteurin der taz.bremen.

taz: Frau Rhode, 2012 sind 147 minderjährige Flüchtlinge hierher gekommen, und Pflegekinder in Bremen, also PiB, hat acht Pflegeverhältnisse vermittelt, während drei Plätze unbesetzt geblieben sind. Wie kann das sein?

Eva Rhode: Einerseits kann es daran liegen, dass wir ständig Familien werben: Wenn kurz vor dem Stichtag der Erhebung neue Pflegestellen dazu kommen, sind die natürlich noch nicht besetzt. Andererseits kommen die Kids ja auch nicht mit einer Akte hier an, sondern wir wissen von ihnen nur das, was sie uns erzählen. Das heißt: Wir müssen sie erst kennen lernen, denn es ist sehr wichtig, dass die Kinder und die aufnehmenden Familien zusammen passen.

Aber das müssen sie doch wohl immer…?

Ja, aber bei diesen Fällen ist es schwieriger: Wir vermitteln auch meist nicht in klassische Vater, Mutter, Kind-Familien: Wer ein Kind im Exil aufnimmt, sollte schon über Erfahrung im Umgang mit Heranwachsenden verfügen, oder auch mit Situationen der Fremdheit: Ideal wären zum Beispiel zugewanderte Familien, die gut hier angekommen sind.

Warum ist das so schwierig?

Diese Kinder und Jugendlichen haben die Flucht überlebt. Sie haben also selbst bereits Biografien wie Erwachsene. Und zugleich kommen sie in ein Land, wo sie niemanden kennen, dessen Sprache sie nicht sprechen – und dessen Kultur sie nicht verstehen können.

Ein Kulturschock.

Ja. Und in dieser Situationen durchleben sie – die meisten sind zwischen 14 und 16 Jahren alt – ihre Pubertät. Erfahrungen im Umgang damit sind also wichtig. Zumal für viele ein langfristig ungeklärter Aufenthaltsstatus hinzukommt.

Das bedeutet?

Das ist eine starke Belastung sowohl für Aufgenommene als auch Aufnehmende. Denn wie soll jemand seine schmerzhaften Erfahrungen angehen, und wie soll man ihm dabei helfen, wenn eine ständige Ungewissheit darüber herrscht, wie es weitergeht, und ob es überhaupt eine Perspektive für ihn gibt?INTERVIEW: BES

Kinder im Exil brauchen Familien, PiB – Pflegekinder in Bremen, Bahnhofsstraße 28-31 , 16 Uhr