RUTH REICHSTEIN ÜBER DAS BEIHILFEVERFAHREN DER EU ZUM STROMRECHT
: Der Strom versiegt

Noch ist nichts entschieden. Es ist erst der Beginn einer langwierigen Prüfung. Und diese Verfahren können in der EU-Bürokratie bekanntlich lange dauern. Aber dennoch ist es ein nicht unwichtiges Zeichen, dass die Europäische Kommission, die Befreiung großer Stromverbraucher von Netzentgelten in Deutschland prüfen will. Sollte sie tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass dies unerlaubte staatliche Beihilfen sind, hätte das groteske deutsche System endlich ein Ende.

Der große Vorteil: Die Entscheidung aus Brüssel fällt – zumindest sollte es nach den EU-Verträgen so sein! – jenseits von politischer Ideologie: Die EU-Kommission untersucht nicht etwa, ob es fair oder klimapolitisch sinnvoll ist, Golfplätze, Raffinerien und Mastställe vom Netzentgelt zu befreien. Sie interessiert sich auch nicht dafür, dass die Zusatzkosten dem Verbraucher aufgebürdet werden. Die Behörde in Brüssel folgt einzig und allein Wettbewerbsregeln. Sie verbietet solche staatlichen Hilfen, falls sie den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt verzerren, also den deutschen Unternehmen Vorteile gegenüber Mitbewerbern aus anderen Ländern verschaffen.

Im Falle der Netzentgelte könnte dies durchaus aus der Fall sein. Schließlich sparen die großen, stromfressenden Unternehmen jedes Jahr Millionen Euro, weil sie die Abgabe nicht leisten müssen.

Egal wie die Brüsseler Prüfung ausgeht: In jedem Fall ist es ein erster Erfolg für die Kritiker dieses Bonbons für die Industrie: Die Öffentlichkeit blickt einmal mehr auf das Thema. Der Bundesregierung – die dem Wahlkampf immer näher rückt – dürfte das nicht schmecken. Sie kann nur hoffen, dass die Brüsseler Mühlen gewöhnlich langsam mahlen und das Ergebnis der Überprüfung erst nach der Bundestagswahl auf dem Tisch liegt.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8