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Archiv-Artikel

Alles wird verrinnen

Mit Großdemos wollen die Studierenden Norddeutschlands für eine solidarische Gesellschaft eintreten. Und vor allem gegen Studiengebühren kämpfen – mit nur wenig Aussicht auf Erfolg

von Eiken Bruhn

Sie stürmen Universitätsrektorate wie gestern in Göttingen und Bremen und rufen innerhalb von einer Woche zu zwei großen Demonstrationen gegen Studiengebühren auf. Heute wollen verschiedene Studierenden-Organisationen in Norddeutschland auf der „Norddemo“ in Bremen „für eine solidarische Gesellschaft“ demonstrieren; für nächsten Donnerstag ist eine niedersachsenweite Demonstration „für eine andere Bildungspolitik“ angekündigt.

Doch nutzen wird es den Studierenden wohl nichts. Das Bezahlstudium wird kommen. In Niedersachsen und Hamburg ganz sicher, in den großkoalitionär regierten Ländern Bremen und Schleswig-Holstein ziert sich die SPD noch, während die CDU prophezeit, dass man sich eine „Insellösung“ auf lange Sicht nicht leisten kann.

„Die Studierenden werden das über sich ergehen lassen müssen“, so die Einschätzung von Gabriele Heinen-Kljajic, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen im niedersächsischen Landtag. Am nächsten Donnerstag wird das Parlament in Hannover mit den Stimmen von FDP und CDU die Studiengebühren im Hochschulgesetz festschreiben. Damit wäre der Weg frei für Gebühren ab dem kommenden Wintersemester, zunächst allerdings nur für StudienanfängerInnen, alle anderen werden ein halbes Jahr später zur Kasse gebeten. Was die Gebührengegner besonders ärgert: Das Gesetz wurde ohne die öffentliche Anhörung von Experten und Betroffenengruppen durchgezogen. „In keiner Weise angemessen“ findet das die Grüne Heinen-Kljajic. „Das ist das entscheidende Hochschulgesetz dieses Jahrzehnts und es wird als kleine Änderung behandelt.“ Dabei sei das Gesetz immer noch nicht wasserdicht und Klagen vorprogrammiert.

Tatsächlich sind die juristischen Einwände gegen die Gebührengesetze, die derzeit in fünf Bundesländern auf den Weg gebracht werden, zahlreich und kommen auch aus politisch neutralen Lagern. In Niedersachsen etwa hat der Landesrechnungshof bemängelt, dass die Summe, die für diejenigen ausgegeben werden muss, die ihr Darlehen nicht zurückzahlen können, viel zu niedrig angesetzt sei. Damit ginge den Hochschulen ein großer Teil der Gebühren wieder verloren, weil sie zur so genannten Abfederung sozialer Härten gebraucht würden. Hauptproblem der Gebührengesetze ist aber, dass jedes Bundesland sein eigenes erlässt – oder auch nicht, wie Bremen und Schleswig-Holstein. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Verzicht darauf sogar Bestandteil des Koalitionsvertrages. Durch diese Unterschiede könnte das im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlungsgebot verletzt sein, vermuten Experten. Geklärt werden diese Fragen aber erst endgültig, wenn die Gesetze in Kraft treten und Studierende gegen die Bescheide Einspruch erheben.

„Wir rechnen mit Klagen“, bestätigt der Sprecher der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Thomas Spieker. Als „Hauruck-Verfahren“ möchte er die Gesetzgebung nicht bezeichnen, schließlich gebe es jetzt im Landtag noch die Möglichkeit zur Debatte. Die allerdings folgenlos bleiben wird, da kein Abgeordneter von FDP oder CDU ins Grübeln kommen wird, wenn sich die Opposition beschwert.