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Debatte über Agrosprit E10Ein wenig Populismus für die FDP

Die Benzinsorte E10 wird von Autofahrern nur schlecht angenommen. Deshalb wird nun über ihren Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise debattiert.

Kritiker werfen dem Biosprit E10 vor, die Nahrungsmittelpreise in die Höhe zu treiben. Bild: dpa

BERLIN taz | An den Tankstellen auf den Wegen zu den Badeseen herrschte am Wochenende großer Andrang: Aber obwohl die Benzinsorte E10, die bis zu 10 Prozent Ethanol aus pflanzlichen Rohstoffen enthält, ein paar Cent billiger ist als herkömmliches Benzin, griffen die meisten der beobachteten Autofahrer zu Super oder Super plus – die Skepsis gegenüber dem Agrosprit ist weit verbreitet.

Viele fürchten um ihren Motor, und manche sehen die Welternährung in Gefahr, wenn deutsche Autofahrer Alkohol aus Getreide oder Zuckerrüben in ihren Tank kippen.

Diese Stimmung machen sich nun alte und neue Gegner der Agrarenergie zunutze. Sie fordern, die Verpflichtung zur Beimischung von Agrosprit in normales Benzin auszusetzen; schließlich werde das weltweite Getreideangebot in diesem Jahr wegen der Dürre in den USA und in Osteuropa deutlich zurückgehen. Das wiederum lässt die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, die sich viele Arme in den Entwicklungsländern nicht mehr leisten können.

Den Anfang machte Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) in der vergangenen Woche, am Montag legte er noch einmal nach. Die Produktion von E10 solle eingestellt werden, bis es möglich sei, dass „die essbaren Teile einer Pflanzen Menschen zur Nahrungssicherung zur Verfügung stehen und die nicht essbaren für die Energieversorgung“, forderte Niebel.

Konkrete politische Schritte zu einem E10-Verbot will Niebel allerdings nicht einleiten: „Wir führen erst mal eine spannende öffentliche Diskussion.“ Die starren Beimengungsvorschriften der Bundesrepublik, aber auch der USA führten dazu, dass Lebensmittelpreise „exorbitant steigen“.

Bei seinen Ministerkollegen von der Union stieß Niebel allerdings auf wenig Gegenliebe. „Aus unserer Sicht beeinflussen Biokraftstoffe die Agrarpreise in einem eher geringeren Umfang“, sagte ein Sprecher von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU).

Kein Sündenbock für falsche Agrarpolitik

Beim Preisanstieg von Agrarprodukten spielten zahlreiche Faktoren eine Rolle, vor allem die Ernteausfälle in den USA und anderen Staaten. Zudem wächst die Weltbevölkerung, auch der Anteil von Fleischessern nimmt zu. Das von Peter Altmaier (CDU) geführte Bundesumweltministerium bekräftigte, man werde sich an der Debatte über einen Stopp von E10 nicht beteiligen.

Auch die Grünen kritisieren E10. Nur in regionalen Kreisläufen und durch eine Mischung von in Deutschland angebauten Feldfrüchten können Agrokraftstoffe sinnvoll sein, heißt es in einem Fraktionspapier. Der Beimischungszwang habe die Agrokraftstoffproduktion jedoch den großen internationalen Mineralölkonzernen ausgeliefert. Kritik an E10 kommt auch von Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien verteidigte hingegen die energetische Nutzung von Biomasse. „Die Bioenergie taugt nicht als Sündenbock für eine verfehlte Agrarpolitik“, sagte Verbandschef Dietmar Schütz. Weder könne ein E10-Stopp in Deutschland dauerhaft etwas an der Ernährungslage in der Welt ändern, noch sei die Bioenergie der maßgebliche Treiber für Monokulturen. „Die wesentlichen Ursachen für Hunger sind Armut, Bürgerkriege und der Klimawandel.“

Selbst für Deutschland hält der Verband die Kritik für nicht gerechtfertigt. Ein wichtiger Treiber für den großflächigen Maisanbau in Deutschland sei nach wie vor die Massentierhaltung, so Schütz. „Bioenergie trägt maßgeblich dazu bei, klimaschädliche und umweltbelastende Brennstoffe wie Öl, Kohle und Gas zu ersetzen.“ Allein durch den Einsatz von Biokraftstoffen seien im letzten Jahr 3,4 Millionen Tonnen Rohölimporte vermieden worden.

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6 Kommentare

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  • TN
    Till Nieder

    Es ist nicht „ein wenig Populismus für die FDP“, sondern letzten Endes ein politisches Eigentor erster Klasse, wenn der FDP-Minister Niebel öffentlich fordert, dass die Produktion des Biokraftstoffs E10 aus Gründen der Nahrungssicherheit in Entwicklungsländern eingestellt werden soll, während er jedoch in seinem eigenen ministeriellen Geschäftsbereich die Produktion von E10 offenbar weiterhin unterstützt und finanziert.

     

    Insbesondere wenn von Niebels Ministerium und den durchführenden Finanziers in den Entwicklungsländern lebenswichtige Streitfragen – abgesehen von Nahrungsmittelverknappung, auch zur Landnahme und Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsrisiken recht wirtschaftsnah und unkritisch behandelt und nachgehalten werden. NGOs haben bereits vor längerer Zeit von Niebel gefordert, dass nicht von deutschen Steuergeldern umstrittene Biokraftstoff-Investitionen gefördert werden, die E10 für den EU-Markt produzieren:

     

    https://www.regenwald.org/aktion/521/aktion-kein-zuckerrohr-fuer-deutsche-autos/anschreiben

     

    Zukunftsgewandte und verantwortliche Politik wäre es, sich nicht von dieser erneuerbaren Technologie vordergründig populistisch zu verabschieden, sondern von deutscher Seite Standards in Entwicklungsländern zu setzen und einzuhalten.

  • PK
    progoellheim, Koch

    Aigner und Altmaier - eine Argrarlobbyistin und ein Wirtschaftslobbyist

     

    ...beim Lesen der Kommentare und Stellungnahmen von unseren Bundespolitikern Aigner und Altmaier kann man nur den Kopf schütteln. Solch geballte Ignoranz lässt nur den Verdacht zu, dass durch diese Politiker unsere "Besitzstands-Wahrer", unsere Lobbyistentum ("Bio"gaslobby, Agrarlobby) protegiert werden sollen.

    Frau Aigner und Herrn Altmier kann man an dieser Stelle leider nur Versagen und Unwillen, alte Fehler einzugestehen vorwerdfen. Nochmals zur Erinnerung:

    Die Energiegewinnung mit so genannten “Bio“gasanlagen (Nawaroanlagen) oder die Herstellung von “Bio“sprit sind beste Beispiele dafür wie sich der politische Wille gegenüber dem Sachverstand durchgesetzt hat!

    Es war doch allgemein bekannt, dass “Bio“sprit Unsinn ist, dennoch wurde er durchgesetzt. Wie bei so vielen politischen Maßnahmen zeigt sich auch hier, dass die deutsche Politik nicht fähig oder Willens ist, aus dem Marketing-Trick der Lobbyisten (“Bio“…) die Stimmen herauszuhören, die wirtschaftlich- und politisch unabhängige Prognosen und Stellungnahmen abgeben…

    “Bio"energie ist schlicht ein Erfolg der Agrarlobby und Wirtschaftslobbyisten (Biogas e.V.), die sich diese Umweltverschmutzung teuer bezahlen lassen…(auf Kosten des Steuerzahlers – Subventionierung, Umweltschäden…)

     

    Gut ist aber, dass immer mehr Menschen diesen Blödsinn nicht weiter akzeptieren wollen und für diese Problematik sensibel werden…(vgl.: http://www.progoellheim.eu/Downloads-Wissenswertes-18.8.12-/1,000000393456,8,1 – Infobroschüre: „Was Sie schon immer über Biogas wissen wollten“) nur so kann man Druck auf die deutsche Politik ausüben und zu einer dementsprechenden Anpassung des EEG veranlassen…

     

    Waltgenbach/Koch, Progoellheim

     

     

    Empfehlung:

     

    www.initiativen-mit-weitblick.de

    www.biogas-kanns-nicht.de

    www.vor-aus-sicht.de

    http://verseuchtefelder.wordpress.com/

    www.progoellheim.eu

  • C
    corny

    Monokultur Maiswüste :

    Natur-Katastrophe mitten in Deutschland

     

    Die von Niebel angeregte E10-Diskussion ist nicht nur für die weltweite Ernährungslage ein entscheidendes Thema, auch die katastrophalen ökologischen Auswirkungen des hemmungslosen Maisanbaus in Deutschland selbst müssen thematisiert werden. In sämtlichen Landschaften, -egal ob Lüneburger "Heide", Vorpommern oder Bayern- außerhalb von Wäldern und geschlossenen Ortschaften bundesweit sieht man im August 2012 nur eines : Maisfeld an Maisfeld so weit das Auge reicht : Monokultur wie in der Kolonialzeit.

     

    Man gönnt es ja unseren Bauern (den Agro-Fonds-Abkassierern schon weniger), dass sich in der Landwirtschaft gutes Geld verdienen lässt.

    Doch da mit Sicherheit in diesem Jahr nicht nur bereits bestehende Getreideanbauflächen in Maisfelder umgewandelt wurden, sondern zweifellos auch viele bisherige Wiesen- und Weideflächen, bedeutet dies für die so hochgelobte und zu schützende Artenvielfalt in Deutschland eine Katastrophe. - für Bienen, Schmetterlinge und Käfer, aber auch für ungezählte andere Lebewesen, die vielen Menschen unbekannt, ja manchmal auch unsympathisch sein mögen, die aber bisher zu unserer Landschaft gehörten undnun durch die vom Gesetzgeber künstlich erzeugten Maisprofite großflächig ausgeräumt werden.

     

     

     

    Der allwissende Herr Altmeier bügelte die berechtigte Forderung nach Überprüfung oder Abschaffung der übereilt beschlossenen Biosprit-Gesetze ruck-zuck reflexartig ab. Man fragt sich, ob der gute Mann eigentlich schon begriffen hat, dass er nicht Wirtschaftsminster ist, sondern ministeriell beauftragter Schützer der Umwelt ist und dass sein Ministerium für die Einhaltung des auch von Deutschland unterschriebenen Abkommens zur Erhaltung der biologischen Artenvielfalt die Verantwortung trägt.

     

    Die unbedachte Subventionierung von Biosprit und die daraus folgende -nur in diesem Monat August auch für jedermann sichtbare!!!- Verödung der deutschen Land(wirt)schaft muss aus diesem Grund schnellstens zurückgenommen werden. Die Initiative zu einer ernsthaften Revidierung der aktuellen Gesetzeslage muss man vom Umweltschutzministerium erwarten.

    Auch die zuständigen Behörden auf Länder- und Landkreisebene können im Rahmen ihrer planungsrechtlichen Möglichkeiten dafür sorgen, dass nicht übermäßig viel Ackerfläche mit Energiepflanzen bestückt werden.

  • W
    willibald

    "Wer E10 aus Kostengründen tankt, begeht eh einen Denkfehler. Denn E10 ist nur rund 2,5% billiger, der Energiegehalt ist aber auch 2% niedriger, somit der Verbrauch mindestens 2% höher. Also keine Ersparnis möglich"

    Korrekt, @Martin D. Für Diejenigen die es noch nicht gecheckt haben: Die Pflanzen, aus denen Bioethanol gewonnen wird, müssen aufwendig, womöglich mit reichlich Kunstdünger, erzeugt werden, das Bioethanol selbst muss filtriert werden, chemisch aufbereitet werden, usw. usf. Jede einzelne Produktionsphase ist mit zusätzlichem Energieaufwand verbunden, man kann sich gut vorstellen wie die Ökobilanz dieses Produkts aussieht. Wer immer noch an den Alibisprit für den "ökologisch bewussten Autofahrer" glaubt, der muss wirklich mit Scheuklappen ausgestattet sein. Ökologisches Bewußtsein beweist man, indem man sein Auto nur benutzt, wenn es unbedingt nötig ist. Oder dadurch, dass man keins hat.

  • MD
    Martin D.

    "Die Benzinsorte E10 wird von Autofahrern nur schlecht angenommen. Deshalb wird nun über ihren Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise debattiert."

     

    Ist diese Überschrift nicht unlogisch? Wenn E10 wenig gekauft wird, dann wird auch wenig produziert und dann kann der Einfluß ja kaum bedeutend sein. Oder?

     

    Wer E10 aus Kostengründen tankt, begeht eh einen Denkfehler. Denn E10 ist nur rund 2,5% billiger, der Energiegehalt ist aber auch 2% niedriger, somit der Verbrauch mindestens 2% höher. Also keine Ersparnis möglich.

  • I
    imation

    E10 ist wie Energiesparlampen und Flaschenpfand ein Kapitel des Ökoaktivismus.

    Gut gemeint ist immer das Gegenteil von gut gemacht.

     

    PS: Auf die sogenannte "Energiewende" trifft dies erst recht zu.