Piercings bei Kindern: Tränen im Tattoo-Studio

Ist es Körperverletzung, wenn man einer Dreijährigen Ohrlöcher stechen lässt? Ein Berliner Gericht will das jetzt klären lassen. Parallelen zum Beschneidungsstreit drängen sich auf.

Auf jeden Fall volljährig: Kunde in einem Hamburger Piercingstudio. Bild: dpa

BERLIN taz | Um ihrer Tochter den Geburtstagswunsch nach Ohrringen zu erfüllen, gingen die Eltern einer Dreijährigen in Berlin in ein Tattoo-Studio. Doch schon beim Ohrlochstechen soll das Kind fürchterlich geweint und noch drei Tage später bei einem Arzttermin eine traumatische Reaktion gezeigt haben. Ihre Eltern klagten daraufhin gegen das Tattoo-Studio auf Schmerzensgeld.

Nun will das zuständige Berliner Amtsgericht Lichtenberg prüfen lassen, ob sich auch die Eltern strafbar gemacht haben, als sie dem Kind Ohrlöcher stechen ließen. Auch stelle sich die Frage, ob es die Inhaberin des Tattoo-Studios hätte ablehnen müssen, einem so jungen Kind Ohrlöcher zu stechen.

„Es geht um die Frage, ob eine wirksame Einwilligung vorliegt. Das ist schwierig zu beurteilen“, sagt Rechtsanwalt Dennis Hampe von der Medizinrechtskanzlei kwm. Bei Kindern unter 14 Jahren müsse grundsätzlich die Einwilligung der Eltern eingeholt werden. „In diesem Fall stellt sich jetzt die Frage, ob das Kindeswohl einer Einwilligung der Eltern nicht entgegensteht“, sagt Hampe. Nicht auszuschließen, dass die Frage jetzt vor der Berliner Staatsanwaltschaft landet.

Der Fall erinnert an die aktuelle Debatte um die Beschneidung von minderjährigen Jungen aus religiösen Gründen. Das Kölner Landgericht hatte diese im Mai prinzipiell als Körperverletzung gewertet. Die Mutter eines Kindes hatte zuvor gegen den behandelnden Arzt geklagt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, weil es danach zu Komplikationen gekommen war.

„Formal gesehen kann auch das Ohrlochstechen mit einer Nadel als Körperverletzung gesehen werden“, sagt Sylvia Lunau, Fachanwältin für Familienrecht: „Beschneidungen von Jungen und das Stechen eines Ohrlochs kann man in Bezug auf die Intensität des Eingriffs und die Nachhaltigkeit körperlichen Folgen aber nicht miteinander vergleichen“, schränkt sie ein.

Vorschriften oder gar ein Gesetz, ab welchem Alter Ohrlöcher gestochen werden dürfen, gibt es in Deutschland bislang nicht. Das bestätigt Joachim Dünkelmann, der Geschäftsführer des Berufsverbands der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte. Er empfielt Eltern aber, sich vorher über mögliche Risiken zu informieren.

„Wir warten erst mal den Verlauf der mündlichen Verhandlung ab“, sagt Ulrich Wimmer, Sprecher der Zivilgerichte. Die Verhandlung findet kommenden Freitag in Berlin statt.

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