GEGEN HOHE STROMPREISE HILFT NUR MEHR DEMOKRATIE IM STROMMARKT : Verbraucher zu Kraftwerken
Preise müssen mit Kosten nichts zu tun haben – ein Phänomen, das wir alle aus dem Alltag kennen. Wer für seinen Drucker eine Farbpatrone kauft, kann sich kaum vorstellen, dass deren Preis durch die Produktionskosten gerechtfertigt ist. Und wer einen „Harry Potter“ erwirbt, darf auch davon ausgehen, dass zwischen Verkaufspreis und Erzeugungskosten des Buches – zumal bei dieser Auflage – Welten liegen.
Es sind Marktpreise, die hier verlangt werden, die von dem Betrag bestimmt werden, den Käufer zu zahlen bereit sind. Im Unterschied zu kostenorientierten Preisen ergeben sie sich immer dort, wo es für die Käufer kaum Alternativen gibt; wo eine Alleinstellung Anbietern entsprechende Marktmacht verleiht. Verwerflich ist das nicht. Aber mitunter unerfreulich.
Zum Beispiel beim Strom. Noch vor zwei Jahren waren die Strompreise im Wesentlichen an den Kosten orientiert. Inzwischen haben die Erzeuger aber erkannt, dass die Kunden weitaus mehr für die Energie zu bezahlen bereit sind, und treiben die Preise in die Höhe. Das können sie nur, weil die Zahl der Anbieter überschaubar ist: Die vier großen deutschen Stromkonzerne verfügen über 80 Prozent der Kraftwerkskapazitäten im Land.
Wer die Strompreise wieder auf ein Niveau drücken will, das durch die Erzeugungskosten bestimmt wird, hat nur eine Möglichkeit: Er muss die Zahl der Anbieter erhöhen. Die Politik muss also Stadtwerke motivieren, sich wieder viel stärker in der Stromerzeugung zu engagieren, ebenso produzierende Unternehmen. Und schließlich sollten auch Privatbürger viel stärker zu Stromerzeugern werden. Man könnte es die „Demokratisierung der Stromerzeugung“ nennen: jeder Verbraucher als Stromproduzent.
In der Praxis heißt das: Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, also der dezentralen Stromerzeugung, sowie der erneuerbaren Energien. Jedes Megawatt an Erzeugungsleistung, das nicht mehr in den Händen der vier Großen ist, bedeutet ein Stück mehr Markt – und damit günstigere Strompreise.
BERNWARD JANZING