: Zu wenig Kontrolle in der Psychiatrie
BETREUUNG Im niedersächsischen Klinikum Wunstorf mussten zwölf demente Senioren in einem Aufenthaltsraum übernachten. Ein krasser Einzelfall – und zugleich Ausdruck eines Problems im System
Zwölf demente Senioren mussten am 18. Januar im niedersächsischen Klinikum Wunstorf in einem mit Neonlicht erleuchteten Aufenthaltsraum übernachten. Laut Klinik eine Ausnahmesituation, da die Spezialstation für Demenzkranke überbelegt gewesen sei – und ablehnen dürfen Psychiatrien Patienten nicht. Es habe keine andere Möglichkeit gegeben. „Das ist schon ein sehr krasser Einzelfall“, sagt Andreas Landmann von der Kommission zur Kontrolle der Psychiatrien in Niedersachsen. Mittlerweile sei das abgestellt worden.
An den grundsätzlichen Problemen in den psychiatrischen Kliniken ändere das aber nichts. „Es gibt mehr kranke alte Menschen, die Kliniken stehen unter Druck und das geht zulasten der Patienten“, sagt Landmann – das gelte nicht nur für jenen 18. Januar und nicht nur für diese eine Klinik. Er erlebe es immer wieder, dass Patienten monatelang in Isolierzimmern fixiert werden, Nächte in fensterlosen Badezimmern verbringen oder regelmäßig in ihren Betten auf Klinikfluren geparkt werden. „Von ehemaligen Mitarbeitern in psychiatrischen Kliniken höre ich dann, dass das doch immer so sei“, sagt Landmann. Fehler würden zwar kurzfristig behoben, dann tauche aber an anderer Stelle die nächste Baustelle auf.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Thomas Schremmer, sieht ein Problem darin, dass immer mehr an Demenz Erkrankte in psychiatrische Kliniken eingewiesen würden, weil viele Angehörige mit der Betreuung überfordert seien. „Dieser Aufnahmedruck kann nur gemindert werden, wenn es sowohl mehr Aufklärung und Hilfestellung für betroffenen Familien als auch eine bessere Ausstattung der Einrichtungen gibt“, sagt Schremmer. Außerdem habe es bereits vor der Kritik an den Zuständen in Wunstorf Meldungen über Personalmangel und Lohndumping in psychiatrischen Kliniken gegeben. „Offenbar wurden aber die Hinweise nicht zum Anlass für Überprüfungen genommen“, sagt Schremmer.
„In den privatisierten psychiatrischen Kliniken haben wir kaum Kontrollmöglichkeiten“, sagt die Sprecherin des niedersächsischen Sozialministeriums, Heinke Traeger. Hier habe die alte schwarz-gelbe Regierung bei der Privatisierung der Landeskliniken unsauber gearbeitet. Nur bei den Zwangseinweisungen liege die Fachaufsicht bei der Sozialbehörde, in allen anderen Bereichen hätte das Land keinerlei Einfluss. „Aber natürlich können Zustände wie in Wunstorf so nicht bleiben“, sagt Traeger. Es gelte auszuloten, wo neue gesetzliche Regelungen möglich seien. ILKA KREUTZTRÄGER