Die Wahrheit: Quasimodo unter den Schokoriegeln

Herzlichen Glückwunsch. Der frittierte Mars-Riegel feiert 20. Geburtstag.

Herzlichen Glückwunsch. Der frittierte Mars-Riegel feiert 20. Geburtstag. Geboren wurde die Fettbombe 1992 im schottischen Stonehaven, als ein kleiner Junge an der Imbissbude Carron Fish Bar darum bat, seinen Lieblingsriegel im Teig zu wälzen und in die Fritteuse zu werfen. Lorraine Watson, die Besitzerin der Bude, witterte eine Geschäftsidee und setzte die garstige Fusion auf die Speisekarte.

Das funktionierte tatsächlich. Viele Zeitungen berichteten angeekelt über die klebrige Mahlzeit, aber die Leute reisten aus fernen Ländern wie Japan und den USA an, um den kulinarischen Albtraum selbst zu probieren. Watson verkauft rund 150 Stück jede Woche, drei Viertel davon an Touristen. In einem italienischen Schottlandführer, so erzählte sie stolz, sei ihr schmieriges Etablissement sogar neben Dunnottar Castle erwähnt, auf dem König Charles II. und Mary Queen of Scots nächtigten, als die Burg noch keine Ruine war.

Dass ihre Schnellfutterbaracke mit einer Stätte des Kulturerbes gleichgesetzt wurde, vernebelte Watson offenbar die Sinne. Sie wollte sich den Riegel im Teigmantel als Spezialität aus Stonehaven von der Europäischen Union schützen lassen, so wie „Parmaschinken und Champagner geschützte Marken“ seien. Du meine Güte. Schon die Erwähnung der drei Produkte in einem Atemzug müsste strafbar sein. Watson ließ von ihrem Ansinnen nur deshalb ab, weil ihr der bürokratische Aufwand zu groß war.

Ihr Vorhaben machte jedoch die Leute von Mars Incorporated hellhörig. Frei nach dem Werbemotto „Mars macht mobil“ alarmierten sie ihre Anwälte, die von Watson verlangten, auf ihrer Speisekarte zu vermerken, dass der Missbrauch des Riegels nicht von Mars autorisiert sei. Die Sprecherin des Unternehmens, Evie Kyriakides, sagte, eine solche Behandlung des Schokoriegels widerspreche der Unternehmensphilosophie, wonach man eine „gesunde, aktive Lebensweise“ unterstütze. Deshalb habe man kürzlich den Fettgehalt des Riegels reduziert, was durchs Frittieren im Teigmantel zunichte gemacht werde.

Die Mars-Gesundheitsapostel hatten vor fünf Jahren versucht, Tierabfälle bei der Produktion zu verwenden – Lab aus Kalbsmägen. Das war offenbar bei der Hundefutterherstellung übrig geblieben: Mars ist vor zehn Jahren mit der Tiernahrungsfirma Pedigree Chum fusioniert worden. Die Pläne für den Schokokalbsmagen brachten dem Unternehmen binnen einer Woche wütende Beschwerden von 6.000 Menschen ein, die in ihrem Leib- und Magengericht keinen Tiermagen dulden wollten. Einen Mars-Fan erkennt man übrigens am klebrigen Kinn, weil sich die Karamellfüllung beim Abbeißen unweigerlich selbstständig macht. Warum der Quasimodo unter den Schokoriegeln von der Belfaster Band The Undertones besungen wurde, ist rätselhaft. Einleuchtender ist, dass die Terroristen im Film „Stirb langsam“ ständig auf Mars-Riegeln herumkauen.

Der unfrittierte Riegel feierte in diesem Jahr übrigens auch Geburtstag. Er ist 80 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch.

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