Winter werden in Deutschland extrem kalt

Forscher weisen erstmals nach, dass der Golfstrom, die Warmwasserheizung Europas, an Kraft verliert

„Noch gibt der Golfstrom so viel Wärme ab wie eine Million Elektrizitätswerke“

BERLIN taz ■ Deutschland drohen eisige Winter. Schon in den nächsten zehn Jahren könnte es in Nordwesteuropa deutlich kühler werden, prognostizieren Forscher vom Ozeanischen Instituts im britischen Southampton. Grund: Die gewaltigen atlantischen Meeresströmungen sind seit 1957 um ein Drittel geschrumpft. Ihnen ist bisher das milde Klima hierzulande zu verdanken.

Auf den ersten Blick wirkt es paradox, eine neue „Eiszeit“ zu erwarten. Schließlich ringen im kanadischen Montreal zurzeit Diplomaten und Minister aus 150 Nationen darum, eine Klimaerwärmung zu stoppen. Den vermeintlichen Widerspruch lösen der Ozeanograph Harry Braden und seine Kollegen aber in ihrer Studie schnell auf, die das britische Wissenschaftsmagazin Nature gestern veröffentlicht hat.

Sie haben darin nachgewiesen, was bislang Theorie war: Die steigenden Temperaturen bringen den Golfstrom im Altantik durcheinander. Dieser gilt als die „Warmwasserheizung Europas“. Er ist aber ausgerechnet vom eisigen Nordpol abhängig. Die Golfpumpe erlahmt, wenn die Gletscher Grönlands oder Norwegens schmelzen.

Die kalten Winde, die im Norden herrschen, kühlen bislang das Nordatlantikwasser ab. Kaltes Wasser ist schwerer als warmes, erklärt Andreas Levermann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. So sackt es in die Tiefe und wandert Richtung Süden. Auf der Reise heizt es sich nach und nach wieder auf. Als Strom aus dem Golf von Mexiko wird es dann nach Norden gezogen – und gibt die Wärme an die Atmosphäre wieder ab. So wachsen in Irland schon mal Palmen. „Der Hitzeoutput entspricht ungefähr dem von einer Million Elektrizitätswerken“, sagt Bryden. Im Norden sinkt das erkaltete Wasser wieder, der Kreislauf beginnt von vorn.

Seine Stärke hängt allerdings nicht nur von der Kälte des Eismeeres, sondern auch von dessen Salzgehalt ab: Je salziger das Wasser, desto schwerer und schneller sinkt es zu Boden. Schmilzt aber das Grönlandeis, verdünnt sein Süßwasser das Meerwasser. Der Golfstrom verliert an Mächtigkeit. Vor dieser Entwicklung warnen auch deutsche Klimaforscher seit langem. Sie stützen sich dabei bisher auf Rechenmodelle.

Die Briten haben nun gemessen: Zwischen den Bahamas und der Sahara ließen sie auf dem 25. Breitengrad in den letzten Jahren mehrfach Sonden in die Tiefe und ermittelten dort Temperatur und Salzgehalt. Ihr Fazit: Der Wasserstrom vom Eismeer nimmt ab. Hält der Trend an, so sagt Forscher Bryden, könnte es im Westen Deutschlands in den nächsten zehn Jahren 4 Grad kälter werden. HANNA GERSMANN