: Deutsche Polizei verlässt Albanien
Nur auf dem Balkan funken die Beamten so altmodisch wie in der BRD, die Innenminister wollen das bald ändern
BERLIN taz ■ Keine Funkstille mehr für deutsche Polizisten. Im Dezember endet die Ausschreibungsfrist zum Aufbau eines neuen digitalen Funksystems für die deutschen Sicherheitsbehörden. Rund drei Milliarden Euro soll es kosten.
Mehr als 15 Jahre zieht sich die Entscheidung zum Aufbau schon hin. Generell einigte sich die Innenministerkonferenz zwar bereits Ende der 90er-Jahre darauf, den veralteten und störanfälligen Analogfunk zu ersetzen. Nur Albanien ist europaweit noch rückständiger. Der Digitalfunk gilt als abhörsicher, erlaubt Konferenzschaltungen und Verbindungen ins Telefonnetz, unmittelbare Datenabfragen in Polizeicomputern und selbst die Übertragung von Fahndungsfotos auf die Funkgeräte. Über die Kosten und ihre Verteilung kam es aber immer wieder zum Streit. Also wurden die ursprünglich angesetzten neun Milliarden Euro stetig reduziert. Bis Ende Juni 2006 wollen die Innenminister dann auch ihre endgültige Entscheidung getroffen haben und den Aufbau beginnen.
Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, zu der der Digitalfunk eigentlich einsatzbereit sein sollte, ist dann fast zu Ende. Um dennoch Tatkraft zu demonstrieren, denken die Verantwortlichen an den Austragungsorten darüber nach, während der WM ein digitales Funksystem zu leasen. Hamburg hat die Idee bereits umgesetzt. Schaut man jedoch genau hin, entpuppt sich der Plan als Nebelkerze. Gerade einmal 150 Funkgeräte soll die Hansestadt geordert haben. Das reicht nicht einmal, um alle Führungskräfte auszurüsten.
Für einen Echtstart zur tatsächlichen Errichtung des Digi-Funks nach der WM sieht es dagegen günstiger aus, nachdem Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in diesem Frühjahr quasi im Alleingang den Aufbau eines „Rumpfnetzes“ entlang der Bahnlinien beschlossen hat. Daran sollen sich die einzelnen Bundesländer anschließen. Über die zu verwendende Technik ist die Vorentscheidung damit schon gefallen. Um den Zuschlag bewarben sich bisher drei unterschiedliche Systeme. Das modernste und in Europa am meisten verbreitete heißt Tetra (Terrestrial Trunked Radio). Zugleich ist es aber auch das teuerste. Mit ihm konkurrierten Tetrapol, mit dem in Frankreich, Tschechien, der Slowakei und Rumänien gefunkt wird, und das auf der Grundlage der überall installierten Handy-Sendemasten entwickelte GSM-System des Mobilfunkanbieters Vodafone. Das Problem: Alle drei Systeme sind untereinander nicht kompatibel. Nachdem Vodafone seine Klage gegen Schilys Festlegung auf ein Tetra-System inzwischen zurückgezogen hat, dürfte die Entscheidung nun wohl zwischen Motorola und dem Nokia/Eads-Konsortium fallen. Bis 2010 sollen auch Deutschlands Polizeien flächendeckend digital funken können. OTTO DIEDERICHS