: Ihr Preis ist hoch
STIFTUNGSRAT Für ihren Verzicht fordert Erika Steinbach großes Entgegenkommen. Die FDP scheint dazu bereit
■ Die Stiftung: Im Jahr 2000 gründeten die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), und der inzwischen verstorbene Peter Glotz (SPD) die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“. Das Ziel: eine Gedenkstätte in Berlin, die an die Vertreibung der Deutschen, aber auch anderer Völker erinnert.
■ Die Kritik: Die Idee stieß in Polen und Tschechien auf teils heftige Ablehnung, weil man eine Relativierung der deutschen Kriegsschuld fürchtete. So schockte 2003 das polnische Wochenblatt Wprost mit einer Nazi-Domina Steinbach und einem devoten Kanzler (s. u.) Doch auch die Schröder-Regierung war gegen die Stiftung.
■ Der Ausweg: Die große Koalition forderte ein „sichbares Zeichen“ und gründete 2008 die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Der Stiftungsrat hat 13 Sitze: drei für den BdV – davon bisher einer für Steinbach. Im „Deutschlandhaus“ in Berlin soll eine Dauerausstellung entstehen. (apd)
AUS BERLIN RALPH BOLLMANN UND STEFAN REINECKE
Die erstaunlichste Wendung vollzog am Dienstag die Berliner FDP. „Es ist gut, dass Frau Steinbach das Signal gegeben hat“, flötete Fraktionschefin Birgit Homburger. „Mein Ziel ist ja nicht irgendeine persönliche Auseinandersetzung“, tönte Guido Westerwelle, Parteichef und Außenminister. Er werde die Vorschläge der Vertriebenenpräsidentin „fair, sachlich und konstruktiv prüfen“.
Seit Dienstag sieht es tatsächlich so aus, dass der Koalitionsstreit um den vakanten Sitz im Stiftungsrat des geplanten Museums für Flucht und Vertreibung auf eine Lösung zusteuert. Die Frage ist nur, zu welchem Preis.
Auf Vetorecht verzichten
In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Bundes der Vertriebenen stellt Verbandspräsidentin Erika Steinbach ihren möglichen Rückzug in Aussicht. Im Gegenzug soll der Bund allerdings auf sein Vetorecht bei der Besetzung des Stiftungsrats verzichten und in dem Gremium die Zahl der Vertriebenenfunktionäre erhöhen, die bislang 3 von 13 Mitgliedern stellen. Weniger brisant ist der Wunsch nach einer größeren Ausstellungsfläche und einer Angliederung des Bayreuther Lastenausgleichsarchivs an die Stiftung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach der Bundestagswahl vergeblich versucht, Steinbach auf einen Posten als parlamentarische Staatssekretärin wegzuloben. Öffentlich schwieg sie zu dem Konflikt. Nachdem sie mit ihrer Kritik am Papst bereits das katholische Wählermilieu irritiert hatte, wollte sie nicht eine weitere wichtige Klientel der Union verprellen, zumal Steinbach anders als der Papst auch CDU-Bundestagsabgeordnete ist und sich die bayerische CSU prompt als Anwältin der Vertriebenen in Stellung brachte.
Während Merkel zögerte, erklärte Westerwelle die Causa Steinbach pünktlich zur ersten Kabinettsklausur im vorigen November zur Koalitionsfrage. Die Kombination aus beidem trieb den Preis für einen möglichen Verzicht der Vertriebenenpräsidentin weiter in die Höhe. Genüsslich kostet Steinbach nun aus, wie sich die neue schwarz-gelbe Regierung auch bei diesem Thema in eine schwierige Lage manövriert hat.
„Keine Erpressung“
Dass es Zugeständnisse geben wird, scheint deshalb klar zu sein. Der zuständige Kulturbeauftragte Bernd Neumann (CDU), aber auch Merkel-Vertraute wie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bezeichneten Steinbachs Vorschläge umgehend als konstruktiv. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder lobte den Vorschlag als „zielführend“. Er sei „auf gar keinen Fall eine Erpressung, sondern ein Versuch, zu einem politischen Kompromiss zu kommen, der auch inhaltlich gut ist“.
Auch die FDP hat kein Interesse an einer weiteren Konfrontation, zumal die Union für Zugeständnisse in der Vertriebenenfrage Gegenleistungen etwa beim Steuerstreit einfordern wird. Westerwelle muss sich allerdings fragen lassen, welchen Sinn ein Verzicht Steinbachs hat, wenn die Vertriebenenverbände im Gegenzug ähnlich umstrittene Persönlichkeiten freihändig nominieren können – oder gar nach einer gewissen Schamfrist die Präsidentin selbst entsenden.
Von den 13 Mitgliedern des Stiftungsrats werden nach geltender Rechtslage je drei von den Vertriebenenverbänden, den Religionsgemeinschaften und der Bundesregierung entsandt. Je zwei Sitze stehen dem Bundestag und den Geschichtsmuseen des Bundes zu. Das Gesetz zur Errichtung einer unselbständigen Stiftung, die dem Deutschen Historischen Museum angegliedert ist, war nach jahrelangem Streit von der großen Koalition beschlossen und schließlich auch von polnischer Seite akzeptiert worden.
Die SPD-Abgeordnete Angelika Schwall-Düren, die für den Bundestag im Stiftungsrat sitzt, bezeichnete Steinbachs Vorstoß am Dienstag als „unverfrorenes Ultimatum“. Fatal sei vor allem der Vorschlag, dass der Bund der Vertriebenen deutlich mehr als die bisherigen drei Sitze im Stiftungsrat bekomme soll. Offenbar wolle Steinbach das Parlament aus dem Gremium herausdrängen und die ganze Stiftung zu einem Projekt der Vertriebenen machen. Falls Westerwelle am Ende doch nachgebe, „überlege ich ernsthaft, ob ich dann im Stiftungsrat bleiben kann“, sagte Schwall-Düren der taz.
Auch der Grüne Volker Beck kritisierte das geplante Tauschgeschäft. „Das ist pures Geschachere“, sagte er. Gerade der Fall Steinbach zeige, wie wichtig das Vetorecht der Bundesregierung bei der Besetzung des Stiftungsrats sei, „um Schaden von unseren auswärtigen Beziehungen abzuwenden“.
Anders als SPD und Grüne lehnt die Linkspartei das gesamte Zentrum in seiner derzeit geplanten Form ab. Der Bundestag solle endlich begreifen, dass die Stiftung gescheitert sei und genau das Gegenteil von Versöhnung bewirke, sagte die Abgeordnete Petra Pau. Stattdessen fordere die Linke „eine europäische Stiftung gegen Krieg, die bei den Ursachen von Kriegen ansetzt und die Folgen von Kriegen, also auch Vertreibungen, einbezieht“.
Symbol des Revanchismus
Vielen Polen gilt Steinbach als Symbol eines ungebrochenen Revanchismus. 1991 stimmte sie im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße als polnischer Westgrenze. Zehn Jahre später organisierte sie erfolglos Widerstand gegen die Aufnahme Polens in die EU. Außerdem kritisieren viele Polen, dass Steinbach gar keine Vertriebene sei. Sie wurde 1943 als Kind eines deutschen Besatzungssoldaten in Westpreußen geboren.
Steinbach äußerte sich in jüngster Zeit Polen gegenüber meist diplomatisch und achtete auf einen gedämpften Tonfall. Die Regierung der nationalkonservativen Kaczyński-Brüder verglich sie vor zwei Jahren allerdings mit DVU und NPD. In Polen wurde diese Parallelisierung der demokratisch gewählten Regierung mit Neonazis als Provokation empfunden.