: „Die Rückfallquote sinkt deutlich“
Facharzt Bernhard Wittmann im Interview über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Nachsorge im Maßregelvollzug. Die Statistik spreche für einen weiteren Ausbau
taz: Wie wichtig ist die Nachsorge für den langfristigen Erfolg der Therapie ehemaliger Forensikpatienten?
Bernhard Wittmann: Die Hauptaufgabe der forensischen Nachsorge bei psychisch kranken Straftätern ist die Verhinderung von Rückfällen. Daher spielt die Kontrolle der Patienten die Hauptrolle in der Arbeit der Ambulanzen. Daneben gilt, und dies unterscheidet die Nachsorge nicht von der stationären Behandlung, dass Sicherheit durch Therapie hergestellt wird. Darum werden den Patienten auch therapeutische Hilfestellung und Unterstützung im Alltag angeboten. Das passiert vor allem durch regelmäßige Besuche der Ambulanzverantwortlichen bei den ehemaligen Patienten.
Wie sieht die Therapie aus?
Die stationäre Behandlung dauert in der Regel mehrere Jahre. Erste Lockerungen im Vollzug sind nach einiger Zeit möglich. Es folgt eine Rehabilitationsphase in der es auch Beurlaubungen gibt. Eine eventuelle Langzeitbeurlaubung muss genaustens vorbereitet werden. Bei positivem Verlauf kann der Patient bedingt entlassen werden. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die forensische Nachsorge.
Wann ist eine Therapie erfolgreich?
Wenn sensible Übergangsphasen wie zum Beispiel eine Beurlaubung oder Entlassung erfolgreich von den Patienten durchlaufen wurden. Die Behandlung für die Patienten ist mit der Entlassung aus dem Maßregelvollzug nicht abgeschlossen, sondern wird durch die Ambulanz als Teil des gesamten Therapiekonzepts kontinuierlich weitergeführt. Wissenschaftliche Untersuchungen bescheinigen den Ambulanzen eine sehr positive Wirksamkeit und eine deutliche Senkung der Rückfallquote. Eine Untersuchung des Forensischen Institutes in Essen ermittelte eine Rückfallquote von unter 10 Prozent bei Patienten, die im Verlauf von rund fünf Jahren in Freiheit nachbetreut worden sind. Dem gegenüber stehen Zahlen von 20 und mehr Prozent Rückfallquote bei nicht nachbetreuten Patienten.
Ist die Nachsorge vorgeschrieben?
Der Zugang zur forensischen Nachsorge ist freiwillig für bedingt entlassene Maßregelvollzugspatienten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Nachsorge auch in Form von Weisungen durch das Gericht verbindlich für den Patienten festzuschreiben. In der Praxis wird im Regelfall durch das Gericht eine derartige Weisung ausgesprochen.
Es gibt aber auch Bedenken zur Sicherheit.
Die Ambulanzen sind ein wesentlicher Beitrag zu mehr Sicherheit nach der Entlassung aus dem stationären Maßregelvollzug. Dies wird umso klarer wenn Sie bedenken, dass hier ehemalige Patienten weiter betreut und auch kontrolliert werden, denen früher kein vergleichbares Angebot gemacht werden konnte. Die Ambulanzen entwickeln für jeden Patienten eine individuelle Risikokontrollliste und einen Notfallplan, der den Behandlern konkrete Anweisungen vorgibt, falls ein Patient wieder in einen krisenhaften Zustand gerät.
INTERVIEW: HOLGER PAULER