: In der Schnickschnackerei
Alles, was sie schon immer nicht brauchten, schaffen sich Frauen gern an
„Soll ich es als Geschenk einpacken?“, fragt die nette Verkäuferin in dem Lädchen. Ich antworte mit einem entschlossenen „Äh ja“, denn tatsächlich ist der niedliche Specksteinbuddha zu 8,95 Euro ausschließlich für den Eigenbedarf bestimmt und soll auf keinen Fall weiterverschenkt werden. Wobei der Begriff „Eigenbedarf“ in Bezug auf Specksteinbuddhas selbstverständlich etwas heikel ist. Genau genommen handelt es sich hierbei exakt um jene Sorte komplett sinnloser Anschaffungen, die nur aus einem Grund getätigt werden: Weil ich eine Frau bin.
Es gibt Dinge auf dieser Welt, die werden Männer nie verstehen. Der regelmäßige Ankauf von Figürchen, Obstschalen und Kerzenständern, die dann auf Kommoden und Fensterbrettern abgestellt werden, gehört dazu. So wie Männer insgesamt den geheimnisvollen Vorgängen im Inneren weiblicher Wohnwelten verständnislos gegenüberstehen: Dabei handelt es sich um Schnickschnack und Feng Shui, zwei mächtige Prinzipien, die in allen Frauenwohnungen miteinander im Kampf liegen und einander bedingen wie der Himmel die Hölle.
Schnickschnack ist das in unseren Breitengraden ältere Prinzip. Als in den Siebzigerjahren geräumige Einfamilienhäuser wie Pilze aus dem Boden schießen und Schrankwand neben Schrankwand gereiht wird, gibt es plötzlich einen enormen Bedarf an vielen kleinen Dingen zum Hineinstellen in eben jene Schrankwände. Darunter befindet sich auch so Fragwürdiges wie quadratische Kerzen, silberne Hin-und-her-Klackerkugeln oder Aschenbecher in Form einer Hand. Als die Wohnzimmerregale dann Mitte der Siebzigerjahre endlich vollgestellt sind, werden noch schnell so genannte Setzkästen erfunden, denn Mutti braucht immer neuen Stellplätze für kleine Vasen, Figuren und Flaschen.
Schnickschnack wird gern auch als Klimbim oder Krimskrams bezeichnet, womit das Sinnfreie und Infantile ebenso treffend bezeichnet ist wie das Hin- und Hergeräume der Gegenstände von der einen Ecke der Wohnung in die andere. Fachverkäuferinnen sprechen von „Wohnaccessoires“, Männer sagen „Krempel“ oder auch „Staubfänger“, um anzudeuten, dass das niedliche Nilpferd mit Briefbeschwererfunktion rein gar nichts dazu beiträgt, ihr Leben zu verbessern. In seiner Vagheit präzise und deshalb wunderschön ist auch das Wort „Was-zum-Hinstellen“.
Schnickschnack eignet sich zwar prinzipiell zum Verschenken, allerdings ist nicht jeder Beschenkte geeignet. Der nette Nachbar, der zwei Wochen meine Katzen hütete, während ich am Strand von Palma rekelte, war es definitiv nicht. Aber was heißt „am Strand rekeln“? Eigentlich durchkämmte ich 14 Tage lang jede Töpferei und jeden Souvenirshop der Insel auf der Suche nach etwas Schönem für den Miezenbetreuer. Am letzten Tag schließlich fand ich eine Kostbarkeit in Form einer handgetöpferten, preußischblauen Katzenfigur, die der bockige Nachbar jedoch nur widerstrebend mit den Worten „Danke für den Staubfänger“ entgegennahm.
Vieles deutete in den vergangenen Jahren darauf hin, dass Feng Shui den Sieg über den Schnickschnack davontragen würde. Jede Frau, die etwas auf sich hielt, hatte den Ratgeber „Feng Shui – Gegen das Gerümpel des Alltags“ gelesen, es an ihre beste Freundin weitergegeben und damit begonnen, nach den Anweisungen des Buches die Wohnung auszumisten.
Die Männerwelt applaudierte. „Jawohl, raus mit dem Zeug“, riefen die Herren. Selbst hart gesinnte Schlampen praktizierten mit wilder Begeisterung Feng Shui, das angeblich vor Urzeiten von irgendwelchen Chinesen erfunden wurde, bei näherem Hinsehen aber verdächtig an die unpopuläre deutsche Tradition des „Ordnunghaltens“ erinnert. „Die Energie muss immer frei fließen können“, sagen die chinesischen Feng-Shui-Meister. „Durchgänge unbedingt frei halten“, die deutschen Hausmeister.
Als ich vor einiger Zeit mit dem großen Feng-Shui-Machen begann, besorgte ich mir vorsichtshalber gleich professionelle Unterstützung. Den Auftrag, die Wohnung mehr oder weniger leer zu räumen, erhielt das im Berliner Bezirk Neukölln ansässige, jedoch mutmaßlich international tätige Unternehmen „Achmed Antik“. Zunächst kam ein Mitarbeiter zu einer Vorbesichtigung vorbei. Wir kamen sofort ins Geschäft. „Kaufe alles.“ Als drei Tage später das ganze Zeug abgeholt wurde, herrschte plötzlich Riesenverwirrung darüber, ob es sich bei der Aktion um einen Ankauf oder eine Entrümpelung gehandelt hat. Man einigte sich jedoch sehr schnell, denn klar war, dass die Männer von Achmed nun mal echte Gentlemen waren.
Im Vergleich zum üblichen Honorar diplomierter Feng-Shui-Beraterinnen war „Achmed Antik“ ein richtiger Billiganbieter. Mit dem Ergebnis konnte ich jedenfalls hochzufrieden sein. Die Wohnung hatte sich in eine Art Zen-Kloster verwandelt. Ein dürrer Bambusstängel am Fenster, drei Kieselsteine am Boden mussten als Deko reichen. Bald aber drängelten, einem geheimnisvollen Gesetz gehorchend, Massen von Fächern, Windspielen, Zimmerspringbrunnen, Papierleuchtern, Reismatten, Räucherstäbchenschalen und Specksteinbuddhas in die Leere des Raums. War das die Macht des Schnickschnacks? Oder das Urgesetz des Feng Shui? Einer muss das ganze Zeug schließlich wegkaufen. HEIKE RUNGE