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Archiv-Artikel

Innerliche Rotation

Giovanni Trapattoni trifft am heutigen Samstag mit seinem krisengeplagten VfB Stuttgart auf den souveränen FC Bayern München. Für den ehemaligen Meistertrainer ist das ein ganz spezielles Spiel

AUS STUTTGART OLIVER TRUST

Als Giovanni Trapattoni um die Ecke bog, sah jeder: Sein nächstes Spiel ist ein besonderes. Er trug einen dunklen Anzug, ein perfekt gebügeltes Hemd und eine tadellos gebundene Krawatte. Auch draußen vor der Klubzentrale in Bad Cannstatt war nichts wie sonst. Die Tore waren geschlossen. Die Autogrammjäger und Trainingsbesucher mussten draußen bleiben. Geheimtraining. „Bitte haben Sie Verständnis“, sagte Trapattoni und faltete wie zum Gebet die Hände. „Alle Spiele sind sehr wichtig, alle will ich gewinnen, aber dieses ist ein ganz spezielles.“ Die Augen des 66 Jahre alten Cheftrainers des VfB Stuttgart leuchteten, ein feuchter Schimmer lag über seiner Netzhaut. „Wissen Sie“, sagte „Trap“ und seufzte, „das ist ein Spiel, da würde ich mich am liebsten selbst einwechseln.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Das ist ein Charakterspiel. Jetzt steht der Stolz der Spieler auf dem Spiel.“

Es ist ein Spiel gegen seine Vergangenheit, die ihm 1994 eine neue Welt eröffnete. Gegen Bayern München, „meiner ersten Station im Ausland“. Damals „war diese Fußballwelt deutsch geprägt, es gab kaum ausländische Spieler. Heute ist das Spiel gegen Bayern eine persönliche Herausforderung für mich.“ Zweimal war er bei den Bayern. Von 1994 bis 1995, und von 1996 bis 1998. „Die Meisterschaft war schön“, sagt er. 1997 war das. „Dann der Pokalsieg und das Spiel gegen Ajax, als wir das Finale im Europapokal knapp verpasst haben.“ Immer wieder hielt der Maestro aus Italien inne, während eine Frage nach der anderen seine Emotionen zu ergründen suchte. „Meine Emotionen“, fragte er. „Manchmal erschrecke ich damit meine Spieler“, sagte er und meinte die Profis in Stuttgart. „Sie sind diese Leidenschaft, diese warmherzige Art im Training nicht gewohnt. Manchmal erschrecken sie, wenn ich sie plötzlich mit so viel Emotion anspreche.“ An diesem Tag gibt er mehr Interviews als sonst. Und er redet mehr als sonst über sich und seine Gefühle. Ein Fernsehteam des DSF schleppt ihn zum Interview vor einen Weihnachtsbaum. Da saß der Mann, der 19 Titel gewann und fuhr sich durch die grauen Haare. „Ich werde die Bayern mit Zuneigung begrüßen, aber ich will gewinnen. Ich hatte dort am Anfang genau die gleichen Schwierigkeiten, die ich auch hier hatte.“ Er sagt hatte, dabei muss er jeden Tag viele Geschichten lesen, die ihn als „Missverständnis“ am Neckar einstufen. Spieler erzählen hinter vorgehaltener Hand Interna, die ihn nicht gut dastehen lassen. Von der Klubführung wird er mit Kommentaren überschüttet, die jedes Mal wie ein Ultimatum klingen. In der Winterpause, so heißt es von Manager Herbert Briem, wird man sich zusammensetzen und Bilanz ziehen und festlegen, wie und ob es weitergeht. „Wenn ich schaue, wie wir die Initiative im Spiel übernehmen, kann ich sagen, die Mannschaft hat sich entwickelt“, sagt er und verweist auf den Umbau der Mannschaft, die einfach Zeit brauche. Es wird wenig über die Schwierigkeiten geredet, die er in Stuttgart hat, und wie problematisch es ist, ihn und seine Art Fußball zu verstehen. Aber es ist ein besonderes Spiel, das gegen die Bayern, sein Spiel. Es wird keine Wechsel in der Startelf geben, sagt er. Gegen die Bayern rotiert ein Giovanni Trapattoni nur innerlich. Er hebt den Finger und schaut ernst. „Ein kleiner Fehler nur, reicht. Wir dürfen uns keinen erlauben.“ Man kenne die Bayern aus dem Halbfinale im Ligapokal, „als wir mit Glück gewonnen haben“. Das wäre ihm auch diesmal lieb, in seinem Spiel gegen die Bayern.