Nerds: "Kein Kontakt mit Locals"
Ein Berliner IT-Unternehmen sucht per Stellenanzeige "Großmutter oder Großvater fürs Büro". Gefragt ist nicht die fachliche Expertise, sondern jemand zum Plaudern.
taz: Frau Welz, IT-Unternehmen sind bekannt für ihr niedriges Durchschnittsalter. In einem Stellengesuch suchen Sie nun „eine Großmutter oder einen Großvater fürs Büro“. Warum?
Vera Welz: In Finnland, dem Land unserer Firmenzentrale, kommt es öfter vor, dass ältere Menschen Aufgaben in jungen Unternehmen übernehmen. Wir finden die Idee gut und suchen daher eine Art Berliner Urgestein, das für unsere Mitarbeiter ab und zu kocht oder backt und auch als AnsprechpartnerIn da ist – gerade vor dem Hintergrund, dass viele unserer Mitarbeiter aus dem Ausland kommen und mit solchen Locals für gewöhnlich keinen Kontakt haben.
Was sollen Großmutter oder Großvater denn genau tun?
Futurice ist ein europaweit operierendes IT-Unternehmen mit Stammsitz in Finnland. Die 16 Mitarbeiter am Standort Berlin entwickeln vor allem Anwendungen für Smartphones und Tablet-Computer. 2012 erhielt das Unternehmen den Preis "Europas bester Arbeitsplatz" für herausragende Arbeitsplatzkultur - die auch vor Altersgrenzen nicht halt machen soll: Auf sein Stellengesuch "IT-Unternehmen sucht Großmutter" erhielt das Unternehmen bereits 35 Bewerbungen - und eine Plätzchenprobe. (taz)
Vera Welz: Wir würden ihn oder sie auf geringfügiger Basis beschäftigen. Es wäre schön, wenn er oder sie einmal im Monat und bei Events wie Weihnachtsfeiern kochen könnte.
Alex Kluwe: Das gemeinsame Essen soll auch die Arbeitsatmosphäre auflockern und zwischen den Mitarbeitern eine kommunikative Atmosphäre schaffen. Außerdem freue ich mich als Mitarbeiter auch darauf, mal für ein paar Minuten aus dieser Nerdblase rauszukommen, auf dem Sofa zu sitzen und zu plaudern. Man sitzt hier, liest seine Tech-Blogs und Entwickler-News und fragt sich manchmal, ob das irgendwas mit der Realität da draußen zu tun hat. Eine ältere Person, mit einem ganz anderen Input, könnte helfen, sich mehr mit dieser Realität zu befassen.
Sie schreiben, dass Sie eine „gute Seele“ suchen. Was verstehen Sie denn darunter?
Alex Kluwe: Natürlich zielen wir hier auf ein Klischee der fürsorglichen, kochenden und backenden Großmutter. Mit Sicherheit könnte man auch jemanden finden, der superleckere Suppen für uns macht und 25 Jahre alt ist. Aber es geht uns darum, über den Tellerrand zu gucken. Wir wollen den interkulturellen Austausch zwischen uns und einer aufgeschlossenen Person der älteren Generation. Ich wäre enttäuscht, wenn wir eine Person meines Alters hier hätten, die den Kopf genauso in der Twitterwelt hat wie ich.
Vera Welz: Die Gegenleistung von unserer Seite aus soll neben Bezahlung auch das Näherbringen der digitalen Welt sein. Wir könnten uns mit der Großmutter Facebook anschauen oder erklären, wie man Dinge im Internet bestellt. Also praktische Sachen, die das Leben im Alter erleichtern, aber schwerer zu verstehen sind, wenn man damit nicht aufgewachsen ist.
Was muss die Großmutter sonst noch mitbringen?
Vera Welz: Die Person muss unbedingt Humor mitbringen, weil wir schon ein spezieller Haufen sind. Wichtig ist Interesse an jungen Menschen. Die Nationalität spielt keine Rolle. Aber er oder sie sollte Geduld haben, weil die Leute hier zum Teil kaum Deutsch sprechen.
Alex Kluwe: Ich finde, dass Englisch wichtig ist. Meine Idealvorstellung ist eine pensionierte Englischlehrerin.
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