Urteil im Prozeß um Tod von "Sexy Cora": Tod einer Kunstfigur

Carolin Wosnitza wollte mit immer größeren Brüsten ihre Pornokarriere ankurbeln. Bei der fünften Operation starb sie. Das Gericht macht Gewinnstreben der Schönheitsindustrie für ihren Tod mitverantwortlich

Immer noch mehr: Carolin Wosnitza hat ihre fünfte Brustvergrößerung mit dem Leben bezahlt. Bild: dpa

HAMBURG taz | Sie lässt die Hüften kreisen und schüttelt ihre langen, wasserstoffblonden Haare. Zu Discosound, der mit „Sexy Girl“-Gestöhne unterlegt ist, fällt erst die Korsage, dann das Röckchen zu Boden. Das überwiegend männliche Publikum johlt und grölt „Ausziehen, ausziehen!“ „Sexy Cora“ ist zu Gast in einer Disco im mecklenburgischen Spornitz. Für etwa sieben Minuten tanzt die Pornodarstellerin auf der Bühne, präsentiert ihre üppigen Brüste, dann verschwindet sie wieder. Sie wirkt gehetzt, ihr Lächeln aufgesetzt.

Der Auftritt in Spornitz liegt mittlerweile fast drei Jahre zurück. Nur wenige Monate danach starb „Sexy Cora“ im Alter von nur 23 Jahren. In einer fünften Operation wollte sie sich die Brust von einem F- auf ein Doppel-G-Körbchen vergrößern lassen. Doch bei der Operation kam es zu Komplikationen, Cora wurde nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt und erlitt einen Herzstillstand.

Während die Unschuld des Chirurgen schnell feststand, musste sich die Anästhesistin Marion F. nun vor dem Hamburger Landgericht wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung verantworten. Am ersten Verhandlungstag vor eine Woche nahm die Ärztin alle Schuld auf sich. Sie habe keine Zeit gehabt, die Vitalfunktionen der Patientin zu protokollieren. Da zudem auch die Alarmfunktion des Kontrollgeräts ausgestellt gewesen sei, habe sie die Sauerstoff-Unterversorgung zu spät bemerkt.

Sie nahm deshalb an diesem Dienstag das Urteil der Hamburger Strafrichter an: 14 Monate Haft auf Bewährung. Ein Berufsverbot sprach das Gericht nicht aus. Dagegen erhob der Vorsitzende Richter Ulrich Weißmann schwere Vorwürfe gegen die Schönheitsklinik: Vermutlich aus Gewinnmaximierung sei dort an Ausstattung und Personal gespart worden.

Auch wenn die Schuldfrage auf juristischer Ebene zunächst geklärt ist – unbeantwortet bleibt die Frage, warum eine junge Frau derart drastische Operationen an sich vornehmen ließ. Vor ihrer ersten Brust-OP führte Carolin Ebert, wie „Sexy Cora“ mit bürgerlichem Namen hieß, ein eher beschauliches Leben. In Berlin geboren, wächst sie bei ihren Großeltern in einem kleinen Dorf zwischen Schwerin und Lübeck auf.

Ihre Teenager-Zeit verläuft nicht weiter ungewöhnlich – mit Ausnahme ein paar kleinerer Ausreißer. Mit 15 lässt sie sich tätowieren, geht gerne feiern und trägt nach einer langen Disco-Nacht schließlich den Titel „Miss Arschgeweih“ nach Hause.

Nach der neunten Klasse macht sie den Hauptschulabschluss und beginnt in Lübeck eine Ausbildung zur Krankenschwester. Als sie diese nur kurze Zeit später wegen einer Fehlstellung der Hüfte abbrechen muss, will sie ein Wagnis eingehen und zieht 2005 mit ihrem Freund Tim Wosnitza, den sie aus der Disco kennt, nach Hamburg.

Die folgende Entwicklung ist in ihrer Dynamik nur schwer nachzuvollziehen. Kaum ist die damals 18-jährige Ebert in Hamburg angekommen, macht sie erste Erfahrungen im Rotlicht-Milieu. Sie tanzt in Nachtklubs, macht freizügige Fotos, arbeitet in der Herbertstraße auf St. Pauli und prostituiert sich in einem Laufhaus im Hamburger Industriegebiet. Sie hätten einen finanziellen Engpass gehabt, erzählt ihr Freund Wosnitza später einem Reporter-Team von RTL2.

Für eine Brustvergrößerung von 70B auf 70D ist dann allerdings genug Geld da. Und für eine Hochzeit. Aus Carolin Ebert wird 2006 Carolin Wosnitza. Etwa zeitgleich legt sie sich den Künstlernamen „Sexy Cora“ zu, räkelt sich regelmäßig vor Webcams, dreht kleine Amateur-Pornofilmchen und stellt sie ins Netz. Ihr Ehemann ist immer live dabei, mal vor, mal hinter der Kamera. Als die Videos das erste Geld abwerfen, machen sich die beiden mit ihrer eigenen Produktionsfirma und dazugehöriger Website selbstständig.

Hauptdarstellerin bleibt „Sexy Cora“, die Nebendarsteller variieren. Oft sind es Männer, die sich über die Homepage als Porno-Amateure für den Sex mit Cora beworben haben. Eine Gage erhalten sie nicht, dafür dürfen sie mit einem „echten Pornostar zum Anfassen“ vor der Kamera herumturnen. Tim Wosnitza agiert immer mehr im Hintergrund, nennt sich offiziell „Sexy Coras“ Manager.

Drei Jahre im Porno-Business, vier Brustvergrößerungen und zahlreiche Tattoos später ist „Sexy Cora“ die erfolgreichste deutsche „Amateur“-Pornodarstellerin. Sie verkauft die meisten DVDs, ihre Videos werden am häufigsten angeklickt. Auf der Sexmesse „Venus“ wird sie mit zwei Preisen gewürdigt. Nur die Tatsache, dass das Ehepaar Wosnitza zu Hause produziert und sich keiner großen Produktionsfirma angeschlossen hat, macht es zu Amateur-Pornographen. Ihre Vermarktungsstrategien sind alles andere als amateurhaft.

2009 will „Sexy Cora“ in einem Sexkino auf dem Hamburger Kiez den Blowjob-Weltrekord brechen, erleidet aber nach Mann Nummer 75 einen Kreislaufzusammenbruch – die Boulevardmedien sind live dabei. Auf einer Auto-Tuning-Messe in Dresden lädt die damals 22-Jährige die männlichen Messebesucher zum Live-Pornodreh ein. Ein Jahr später zieht sie ins „Big Brother“-Haus, verbringt viel Zeit unter der Dusche und versucht sich anschließend als Schlagersängerin auf Mallorca – „Schalalalala, ich bin ohne meinen Freund hier“.

Nun ist Carolin Wosnitza seit fast zwei Jahren tot, doch Tim Wosnitza hält die Marke „Sexy Cora“ weiterhin. Sämtliche Filme sind noch über die Homepage abrufbar und auch die Sparte „News“ wird weiter befüllt. Dass Carolin Wosnitza keine aktive Rolle mehr spielt, wird nur in kleinen Randbemerkungen deutlich. Tim Wosnitza wolle ihr „Lebenswerk“ fortsetzen, sagt er. Seine Frau hätte nicht gewollt, dass er alles hinschmeiße.

Unter den Videos, die im frei zugänglichen Material auf der Internetseite aufgelistet sind, befindet sich auch ein persönlicher, nicht pornographischer Film. Carolin Wosnitza hat zugegebenermaßen nicht viel an und dreht sich an der Stange, aber sie erzählt von ihren Träumen und Wünschen und lächelt in die Kamera: „Mein Traum für später ist natürlich ein Häuschen, Familie. Ein Kind hätte ich gerne.“ Das Haus hatte sich das Ehepaar schon ausgesucht, ein Kinderzimmer eingerichtet.

Vier Tage nach der Schlüsselübergabe wollte sich Carolin Wosnitza dann aber doch noch einmal die Brüste vergrößern lassen.

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