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Archiv-Artikel

Germania trotzen

Ausgerechnet auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof, dem „Congress & Event Center Tempelhof Airport“, stellte der polnische Mittelstand seine Produkte, Waren und ausreichend Ostkitsch vor

VON JÖRG SUNDERMEIER

Man ist ja immer etwas indigniert, wenn einem Ukrainer oder Dänen erklären, wie sie sich Deutschland vorstellen: sie denken zuerst an Wurst, Bier, Schuhplattler, Mercedes. Und selbstverständlich fällt auch bald darauf das Wort Hitler. Wenn sich allerdings deutsche Firmen auf einer „Deutschen Messe“ in Dänemark oder der Ukraine präsentieren sollten, so würden Bier, Wurst, Schuhplattler und Mercedes auf keinen Fall fehlen, nur Hitler- Devotionalien suchte man wohl vergebens. Doch es gibt solche Messen nicht, deutsche Firmen präsentieren sich im Ausland zumeist im Rahmen großer Messen, auf denen zwar von blond-bleichen Messehostessen im Auftrag von Mercedes, Siemens oder Gerry Weber Wurst und Bier gereicht wird, dass das ein deutsches Markenzeichen wäre, würden die Unternehmen jedoch von sich weisen.

Eine Polnische Messe nun, wie sie am vergangenen Wochenende stattfand, hat ein ganz anderes Problem – Mittelständler aus Polen haben es schwerer, sich auf den internationalen Messen zu präsentieren, daher sind sie angewiesen auf kleine Messen, die die nationale Wirtschaft bewerben. Doch damit sind ihre Produkte, auch dann, wenn sie keine „traditionellen“ sind, immer mit Eindrücken belegt, die sich aus Vorurteilen speisen.

Bei der Polnischen Messe 2005 am vergangenen Wochenende, die mit Plakaten in U-Bahnhöfen und zigtausend Postkarten beworben wurde, hatte man sich bereits mit dem Ort vergriffen: dem Überbleibsel des Speer’schen Großprojektes „Germania“, das die Berliner als ihren Flughafen Tempelhof lieben. Die Reichsadler, die hier zwar hakenkreuzlos auftreten, dies allerdings an Gebäudestellen, die man sich ohne Hakenkreuz darunter nur schwer erklären kann, lassen fürchten, dass manche sie vielleicht doch irgendwann wieder „in den Ursprungszustand“ versetzen wollen. Hatte man diese Adler, vom Platz der Luftbrücke her kommend, unterschritten, waren noch ein paar hundert Meter am Nazibau entlang zu gehen, bis man, über allzu offensichtlich nicht für Publikumsbesuch angelegte Wege endlich am „Congress & Event Center Tempelhof Airport“ anlangte, einen ein wenig umgebauten alten Flugzeughangar.

Dort, die Halle gerade mal zur Hälfte ausfüllend, fand sich dann die Messe, die so gar nicht das tat, was sie laut Website tun sollte, nämlich „kleinen und mittleren Firmen aus Polen die Möglichkeit zu bieten, sich auf dem deutschen Markt zu präsentieren“. Die Stände wirkten arg zusammengewürfelt. Bekleidungsfirmen standen neben Gartenausstattern, eine Computerfirma neben einer Großkonditorei, eine Firma bot schmiedeeiserne Zäune, eine andere Holztreppen, eine dritte mühte sich etwas sinnlos darum, Hüpfburgen made in Poland an die Kundschaft zu bringen. Daneben ließen Hotels Broschüren verteilen. Angesichts dessen und der gerade mal rund vierzig Stände war es wohl nicht nur der obligatorische Messekoller, der schon am Samstagabend die Gesichter der Ausstellerinnen und Aussteller hatte grau werden lassen.

Über allem lag ein leichter Wurst- und Biergeruch, den der Alleinunterhalter, der zur Unterhaltung der Leute bestellt war, nicht hinwegtönte. Im Gegenteil, mit seinen langen, nur schlecht über die am Hinterkopf freiliegende Kopfhaut zu einem Zopf zusammengezurrten Haaren und seinem falschen Dolce-&-Gabbana-T-Shirt bediente er alle Ostpopklischees. Die auf Lebensmittel spezialisierten Firmen hingegen gaben sich alle Mühe, dem zu entsprechend, von dem sie glauben, dass Deutsche es sich unter Polen vorstellen. Also gab es schlesische Wurst und gute Marmelade, fettglänzende Zuckerbäckereien, derbe Biere und nach „uraltem Rezept“ gefertigte Liköre.

Es schmeckte gut, ließ jedoch offensichtlich die Textilhersteller und Handwerker noch mehr an dem Sinn ihres Hierseins zweifeln. Neben dem Gros der möglichen Aussteller war zudem das Publikum ausgeblieben. Das nur deutschsprachige Publikum war dabei in der Minderheit. Was wiederum verwundert, suggerieren doch die diversen osteuropäischen Film-, Literatur-, Musik- und Folkloretage, dass man sich in dieser Stadt dem Osten öffnen will. Vielleicht dachten all die Berlinerinnen und Berliner, sie würden hier nicht ausreichend Ostkitsch finden können. Gerade den hatten allerdings einige Händler, mit Rücksicht auf ihre deutschen Kunden, extra mitgebracht.