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Archiv-Artikel

In der Eckkneipe geht’s rund

KULTURKNEIPE Mit monatlichen Konzerten, Fotoausstellungen und Lesungen lockt die Eckkneipe „Gastfeld“ nicht nur Neustädter in das älteste Wirtshaus des Stadtteils

„Ich wollte, dass die Leute hier etwas finden, das sie anspricht“

Anna Maria Bilz, Gastfeld-Wirtin

VON JENS LALOIRE

Bereits wenn man auf das alte Turmhaus an der Gastfeldstraße zugeht, fallen einem die großen Fenster auf, die bereits vorab einen Blick in das Gastfeld erlauben: Der Raum ist hell, die Wände sind in warmen Farbtönen gestrichen, das Holzmobiliar wirkt sehr gemütlich, und hinter der Theke hängt ein wunderschönes Holzregal, das bereits 1911 den Raum schmückte, als dort erstmals eine Kneipe eröffnet wurde. Fast sechs Jahrzehnte galt das Tresenregal allerdings als verschollen. „Wir haben es im Sommer 2011 beim Entrümpeln im Keller wiederentdeckt“, erklärt die Betreiberin Anna Maria Bilz, die das Gastfeld im Oktober 2011 neu eröffnete. Sie habe in der Neustadt einen Ort für die vielen jungen Menschen schaffen wollen, die in diesem Stadtteil leben. „Ich wollte, dass die Leute hier etwas finden, das sie anspricht.“

Damit das junge Publikum auch tatsächlich in die Gastfeldstraße strömt, lockt die Kneipe mit diversen Kulturveranstaltungen. Bereits die gerahmten Fotografien an den Wänden zeugen davon, dass der Kunst im Gastfeld eine besondere Rolle zukommt. Sie sind Teil der Ausstellung „Women“, die noch bis Ende Mai zu sehen ist. Die poetischen Aufnahmen der Fotografin Kristin Lehmann aus Plauen hat Marvin Marckwardt im Internet entdeckt. Marckwardt ist für die Ausstellungen und Konzerte im Gastfeld verantwortlich. Bei der Auswahl der Fotokünstler ist ihm wichtig, dass sie am Anfang ihrer Karriere stehen. „Hier im Gastfeld sind immer Erstausstellungen der Künstler zu sehen“, sagt Marckwardt, der drei Fotoschauen im Jahr organisiert.

Neben Fotokunst gibt es außerdem regelmäßig Literaturveranstaltungen wie die Lesebühne „The HuH!“, die alle zwei Monate von Bremer Slam-Poeten auf die Bühne gebracht wird – und zwar stets mit einem Gast aus einer anderen Stadt sowie musikalischer Begleitung. Während an den Slam-Poetry-Abenden die Musik eine Nebenrolle spielt, übernimmt sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Monat die Hauptrolle. Seit Februar 2012 spielen monatlich Bands auf der kleinen Bühne. „Beim ersten Konzert war der Laden so voll, dass viele Leuten nicht mehr reinkamen“, sagt Marckwardt. Das habe den Anstoß gegeben, die Musiker jeweils an zwei Abenden hintereinander auftreten zu lassen. Publikum gibt es jedenfalls genug für zwei Konzerte – die etwa dreißig Sitz- sowie vierzig bis fünfzig Stehplätze sind meist schnell besetzt. „Es kommen sogar Leute aus Findorff, Schwachhausen oder dem Viertel“, verrät Anna Maria Bilz.

Eintritt wird bei den Konzerten nicht kassiert, dafür geht ein Spendenhut rum, so dass jeder Gast selbst entscheiden kann, was ihm die Band wert ist. Die eingesammelte Summe bildet die Gage – hinzu kommen Einnahmen aus CD- oder T-Shirt-Verkäufen. Das funktioniere insgesamt sehr gut, sagt Marckwardt. Die Bands sucht er über das Internet aus. Entscheidend sei für ihn, dass es sich um junge, aufstrebende Musiker mit einem individuellen Stil handle, die eigene Kompositionen spielen müssen. Nahezu alle Bands haben mit dem Gig im Gastfeld ihren ersten Auftritt in Bremen. Häufig versucht Marckwardt, den Bands noch Folge-Gigs in anderen Städten zu organisieren, eine feste Kooperation gibt es bereits mit der „Pooca Bar“ in Hamburg.

Vier der Bands, die bereits in der Kulturkneipe gespielt haben, wird das Gastfeld im Juli an einem Abend auf der Breminale präsentieren. Doch zuvor gibt es mindestens noch vier Liveacts auf der kleinen Bühne in der Neustadt zu erleben. Als Nächstes sind am Wochenende „Kitty Says Blue“ zu Gast. Das Berliner Duo, das erstmals außerhalb der Hauptstadt auftritt, bietet Eigenkompositionen, die zwischen Folk, Pop und Soul changieren. Obwohl lediglich mit der Gitarre von Lüder Lindau und der kraftvollen Stimme der Sängerin Alexia Materne ausgestattet, gelingt es dem Duo, ihren Songs gehörig Drive zu verleihen – mal mit locker lässiger, mal soulig verrauchter, mal melancholisch sanfter Note.

■ Kitty Says Blue: Freitag + Samstag, jeweils ab 20.30 Uhr; Fotoausstellung „Women“ von Kristin Lehmann bis 31. Mai täglich ab 17 Uhr, Gastfeld, Gastfeldstraße 67, www.gastfeld.de