Internationaler Frauentag: Die Unsichtbaren: Ich muss nicht gewürdigt werden

Seit einem halben Jahr führt Narjes Gharsallaoui das Hamburger Vorbereitungsbüro für Karin Beier, die ab Herbst 2013 Intendantin des Schauspielhauses ist. Dass sie nicht selbst auf der Bühne steht, stört sie nicht.

Sie will nicht unbedingt auf die Bühne. Narjes Gharsallaoui, 41, freut sich, wenn die Abläufe funktionieren. Bild: Henning Scholz

HAMBURG taz | Ob ich schon immer Assistentin der Schauspiel-Intendanz werden wollte? Nein, mein größter Wunsch als Kind war: Kindern in Afrika zu helfen. Nicht, dass ich missionieren wollte oder besonders gläubig gewesen wäre. Aber ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, und die Hungersnot in Afrika hat mich schon als Kind stark berührt. Ob das damit zu tun hat, dass ich in Tunesien geboren wurde, weiß ich nicht. Afrika war mir jedenfalls immer sehr nahe.

Später wollte ich Tänzerin werden, aber das war für ein „Gastarbeiterkind“ wie mich nicht angesagt. Mein Vater war ja in den 1960ern aus Tunesien nach Deutschland gekommen. Er arbeitete in der Gastronomie, der Job lief gut, und er holte uns bald nach – meine Mutter, meine ältere Schwester und mich. Hier in Deutschland konnten wir dann Schulsport und Schulchor besuchen. Aber Tanz und Schauspiel – das waren für meine Eltern keine ernst zu nehmenden Berufe. Das entsprach nicht ihrer Tradition.

Das heißt aber nicht, dass ich unzufrieden war. Ich bin nämlich auch recht sprachbegabt und habe dann eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin absolviert. Kurze Zeit später ging meine jüngere Schwester als Schauspielerin ans Schauspielhaus Köln. Intendant war Marc Günther. Ich war damals im Koblenzer Museum Ludwig Direktions-Assistentin. Aber meine Schwester fand, wir sollten mal wieder in derselben Stadt wohnen. Ich fand das auch, habe mich als Assistentin des Intendanten beworben und bin gleich genommen worden. Und bis jetzt geblieben.

Mit der jetzigen Intendantin Karin Beier, die ja im Herbst von Köln ans Hamburger Schauspielhaus wechselt, arbeite ich jetzt schon mehr als sechs Jahre zusammen. Das war nicht immer leicht, denn man muss sich ja erstmal kennenlernen: wissen, was man rückkoppeln muss und wann man nerven kann, ohne den Produktionsprozess zu stören. Karin Beier ist ja eigentlich Regisseurin und musste auch erst lernen, wie man ein Haus mit 650 Leuten leitet.

Inzwischen läuft es gut, und ich kann meine Erfahrungen an Schauspieler, Regie-Assistenten und Hospitanten weitergeben. Denn ich bin ja nicht nur „Vorzimmer-Drache“, der Termine, Reisen und Schriftverkehr für Karin Beier organisiert. Ich nehme auch Kontakt zu Schauspielern auf, die sie für Hamburg engagiert hat – und bin Kummerkasten für die, die schon da sind. Wenn jemand zum Beispiel mit dem Arbeitstempo einer Regisseurin nicht zurechtkommt und dann Fehler macht, kann der sich bei mir ausweinen. Ich filtere dann erstmal, beruhige ihn und vermittele eventuell.

Dass das alles im Hintergrund abläuft, stört mich nicht. Hätte ich ins Rampenlicht gewollt, hätte ich einen anderen Beruf gewählt. Ich glaube aber inzwischen, dass ich gar nicht so geeignet bin für die Bühne. Einmal musste ich vor 1.200 Leuten im Opernhaus eine Ansage machen. Ein Sänger konnte nur eingeschränkt singen, und das sollte ich den Zuschauern mitteilen. Als ich da rausging, vor diese vielen Leute, das war der reinste Horror: Gänsehaut, Adrenalin, Entsetzen. Die ersten drei Worte waren furchtbar. Danach ging es besser. Aber wie gesagt, ich brauche das nicht.

Andererseits habe ich nicht das Gefühl, dass ich ständig gewürdigt werden muss. Und wer sollte das überhaupt tun? Karin Beier ist nicht jemand, der kommt und sagt, du bist super. Mit so etwas könnte ich auch nicht umgehen. Ich denke aber schon, dass sie mir vertraut und gut findet, was ich mache.

Die Schauspieler, die mich kennen, mögen mich, glaube ich, auch ganz gern, zumal ich gern feiere. Und dass die mich als „Verwaltungsmensch“ nicht akzeptieren, ist bisher nicht vorgekommen. Ich muss allerdings manchmal etwas strenger werden, wenn jemand unsere Gepflogenheiten noch nicht kennt. Dem sage ich dann schon sehr bestimmt, dass er keine eigenmächtigen Terminabsprachen treffen soll, weil das alles über meinen Tisch geht.

Und was das „einsame“ Hamburger Vorbereitungsbüro in St. Georg betrifft: Ich hätte natürlich auch erst im Herbst herkommen können – zusammen mit den anderen. Aber ich habe mich bewusst entschieden, hier die Vorhut zu sein. Denn ich habe eine 16-jährige Tochter, und für ihre Schullaufbahn war es besser, früher herzukommen, damit sie nicht kurz vor dem Abitur nochmal die Schule wechseln muss. Deshalb bin ich eben schon hier.

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