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Archiv-Artikel

Auch junge Rinder sind wahnsinnig

Neue BSE-Fälle in Nordrhein-Westfalen sind laut Landesregierung kein Grund zur Beunruhigung: Die Tiere wurden vor dem Verbot von Tiermehl geboren. Forscher warnen dennoch vor Heraufsetzung des BSE-Testalters von Rindern

BOCHUM taz ■ Trotz bundesweit rückläufiger Zahlen treten auch in Nordrhein-Westfalen immer wieder BSE-Fälle auf. Erst im November wurden zwei Rinder positiv getestet. Wissenschaftler vermuten, dass sich die Rinder durch infiziertes Tiermehl anstecken. Das Verfüttern von Tiermehl ist deswegen seit Dezember 2000 verboten. Die kranken Tiere im Kreis Gütersloh und Paderborn wurden jedoch vor dem Verbot geboren und waren nicht für die Schlachtung bestimmt, teilte das NRW-Verbraucherministerium mit.

„Es treten immer wieder auch spontane und sporadische Fälle bei jüngeren Tieren auf, die nicht mit der Fütterung und der Seuche zusammenhängen“, so Elke Reinking, Sprecherin des Bundesforschungsinstitus für Tiergesundheit. Möglich sei auch, dass manche Bauern aus Versehen noch Tiermehl-Reste verfütterten. In NRW waren alle nach dem Verbot geborenen Tiere gesund, so das Verbraucherschutzministerium. „Das Futtermittel wird außerdem regelmäßig kontrolliert“, sagt Ministeriums-Sprecherin Carolin König.

Insgesamt gab es seit dem Jahr 2000 20 BSE-kranke Rinder in Nordrhein-Westfalen. Bundesweit waren es sogar 387 infizierte Tiere. Seit Februar 2001 ist in Deutschland bei keinem Rind unter 30 Monaten mehr die tödliche Gehirnkrankheit diagnostiziert worden. In mehreren Bundesländern ist deswegen im Gespräch, das Testalter für Rinder auf 30 Monate heraufzusetzen. Unterstützt wird das Vorhaben vom Bauernverband. Die NRW-Landesregierung konnte dazu vor Redaktionsschluss nicht mehr Stellung nehmen.

Forscher raten dennoch von der Heraufsetzung des Testalters ab. „Der Verlauf der Krankheit ist noch nicht klar genug“, sagt der BSE-Forscher Martin Groschup. Zwar hieß es in Großbrittanien, dass unter 30 Monaten keine Erreger festgestellt wurden. „Wir sind da aber sehr skeptisch“, sagt Reinking. „Eine jetzige Entscheidung der NRW-Landesregierung wäre voreillig. Zudem sollte die Regelung bundesweit einheitlich sein“, sagt der Prionenforscher Detlev Riesner von der Uni Düsseldorf. Eine weitere Anhebung des Testalters wird derzeit auch in der EU-Kommission diskutiert. Bevor Brüssel die Restriktionen lockere, sollten erst einmal alle Infos aus den betroffenen Ländern zusammengetragen werden. „Diese Frage sollte man nicht politisch entscheiden, sondern wissenschaftlich“, so Riesner. Auch Ex-NRW-Verbraucherministerin Bärbel Höhn (Grüne) hatte sich bereits gegen ein höheres Testalter ausgesprochen.

Ausgelöst wird BSE durch so genannte Prionen. Prionen sind krankhaft veränderte Eiweiße, die schwammartige Gehirnveränderungen auslösen. Erkrankte Tiere magern schnell ab, sie werden ängstlich und aggressiv und verlieren allmählich die Kontrolle über ihre Muskeln, bis sie sterben. Wie die Prionen sich verändern, ist unklar. Manche Wissenschaftler glauben, dass BSE keine Seuche, sondern eine genetische Veranlagung sei. „Das heißt aber nicht, dass es ungefährlich ist“, so Riesner. Beim Menschen kann der Erreger eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen, an der auch unter 30-Jährige erkranken können.

Es bleibt die Frage, wie sich die Verbraucher schützen können. „Lückenlos ist keine Kontrolle“, so Carolin König, Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums. Allerdings sei das Ansteckungsrisiko heute gleich Null. Zwar kann BSE nicht direkt übertragen werden. Alle Tiere, die zusammen mit dem kranken Rind aufgewachsen sind, werden dennoch vorsorglich getötet. Erhitzen oder Einfrieren des Fleisches erledigt den Erreger nicht vollständig. Risikostücke wie Hirn oder Rückenmark wird aber generell nicht mehr verwertet. Verbrauchern wird empfohlen, nach der Herkunft des Fleisches zu fragen. GESA SCHÖLGENS