: Diesmal ohne Springerstiefel
Prozess: NPD-Mann führte die rechtsradikale Kameradschaft Westerwald. Image sollte mit „zivilisierten Klamotten“ ohne martialisches Outfit aufpoliert werden
KOBLENZ taz ■ Im Verfahren gegen die Mitglieder der rechtsextremistischen Kameradschaft Westerwald vor der 12. Großen Strafkammer am Landgericht in Koblenz sagte gestern ein Funktionär der NPD aus.
Christian Steub, 27, der bei der letzten Bundestagswahl im Westerwald als Direktkandidat für die Nationaldemokraten fungierte, trat der Kameradschaft schon kurz nach der Gründung im Mai 2002 bei. Mehr als zwei Jahre lang war er deren Kassenwart im Vorstand und der politische Kopf der von der Staatsanwaltschaft auf rund 40 Personen geschätzten Truppe.
Steub, Computerspezialist und nicht in Untersuchungshaft einsitzend, erklärte jetzt der Kammer, dass er von der Partei in die Kameradschaft delegiert worden sei, „um die Bindung der Gruppe an die NPD zu gewährleisten“. Politische Vorträge habe er dort gehalten und Veranstaltungen organisiert. Als Kassenwart sei er auch für die Eintreibung der bei den monatlichen Treffen in verschiedenen Gaststätten im Westerwald bar zu entrichtenden Mitgliedsbeiträge in Höhe von fünf Euro verantwortlich gewesen, so Steub. Auch die Beschaffung von Bussen für die Teilnahme der Kameraden an „nationalen Demonstrationen“ etwa in Frankenberg, Worms und Wunsiedel 2004 waren seine Aufgabe.
Nichts zu tun habe er dagegen mit den Gewaltexzessen seiner ehemaligen Kameraden, beteuerte Steub. Die „Kameraden“ hatten sich im Verlauf der jetzt sechs Verhandlungstage fast alle wechselseitig beschuldigt und so den angeblichen, im nationalen Lager seit Jahren kursierenden Mythos von der „Treue der Kameraden“ gleich zu Prozessbeginn ad absurdum geführt.
Insbesondere an dem in der Anklageschrift eine herausragende Rolle spielenden Überfall der Kameradschaft auf die Besucher eines Punkkonzerts in Daaden, bei dem Autos zertrümmert und mutmaßlich Linke „in Todesangst versetzt“ worden seien, so die Staatsanwaltschaft, habe er nicht nur nicht teilgenommen, sondern ausdrücklich vor diesem „Schwachsinn“ gewarnt.
Weil diese Einlassung des Nationaldemokraten schon bei den polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten von einigen „Kameraden“ bestätigt worden war, blieb Steub, der 1999 in Limburg das Fachabitur bestand und danach für zwei Jahre zur Bundeswehr ging, von der Untersuchungshaft verschont.
Für einige Mütter und Väter der anderen Angeklagten ist der NPD-Mann Steub der Rädelsführer der Truppe – und der „Verführer unserer Kinder“. Dass die NPD hinter der Kameradschaft steckt, behauptete der inzwischen in einem abgetrennten Verfahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Christoph H. schon am zweiten Verhandlungstag. Die Partei habe „junge Leute jenseits der Skinheadszene rekrutieren“ wollen, um so das schlechte Image des rechten Lagers korrigieren zu können.
Steub bestätigte das gestern. Er selbst habe bei den Kameraden streng darauf geachtet, dass „keine Asozialen“ aufgenommen wurden und dass in der Öffentlichkeit „nicht gesoffen“ wurde. Auch eine neue Kleiderordnung musste her: keine Bomberjacken und Springerstiefel mehr. Dafür „zivilisierte Klamotten, meinetwegen auch von Lonsdale“. Im neuen Outfit sollten die „normalen Bürger“ für die „nationale Sache“ gewonnen werden. Auch deshalb sei er strikt gegen die „in diesem Sinne kontraproduktiven“ Gewaltakte gewesen. Ohnehin habe er „mit Linken nie Probleme gehabt“.
Dass die Kameraden nicht auf ihn hörten, habe er erst hinterher erfahren – „von Linken, die in Daaden beim Konzert dabei waren“, so Steub. Er habe geglaubt, dass die Kameraden nur zu diesem Punkkonzert gefahren seien, „um sich ein objektives Bild vom Gegner zu machen, also: Kennzeichen der Autos notieren und Personen fotografieren“.
Vor Steub wurde der 27 Jahre alte Zimmermann Lars Heinz vernommen, der alle ihm zur Last gelegten Taten gestand. Im Verlauf des Verfahrens wurden inzwischen sieben Mitglieder der Kameradschaft, die ihre Taten bereuten und angaben, sich vom Rechtsradikalismus abgewandt zu haben, zu Bewährungsstrafen von bis zu zwei Jahren Haft verurteilt. Gegen einen weiteren mutmaßlichen Rädelsführer aus den Reihen der NPD wurde gesondert Anklage erhoben.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT